Yo man, von Gottes Liebe leben wir

■ Weil Techno out ist, feiert die Charlottenburger Luisengemeinde jetzt HipHop-Messen in der Kirche. So soll der Jugend etwas geboten werden, doch statt der Szene waren nur Konfirmanden da

So viel Jugend war nie. Der evangelische Pressedienst epd, sonst nicht gerade mit Jugendsprache bekleckert, kündigte szenemagazinig an, bei der HipHop-Messe in der Charlottenburger Luisenkirche würden „grooving drumloops vom ,Projekt Willo &Friends‘ die live und computerreproduzierten handmade Songs durchziehen“. Wer am Sonntag aber brennende Mülltonnen, dampfende Kanaldeckel und Baggy-pants-Kollegen erwartete, wurde enttäuscht.

Stattdessen riecht es nach Gemeindegottesdienst. Vorne am Altar stehen vier Messner in weißen Talaren und lesen aus dem Evangelium. Die Gemeinde lauscht andächtig. Einzig ein Fila-Turnschuh blitzt unter einem weißen Umhang. Ab und zu huscht verzagt rotes Scheinwerferlich durch das Kirchenschiff. Sonst nichts.

Doch beim Vers „Nimm uns zurück in die Gegenwart“ stürmt das „Projekt“ nach vorne, fest entschlossen das Groove-Zepter an sich zu reißen. Base-Drums wabern durch den Raum unterspült von seifigem Chorus. „Das Projekt“ besteht aus einem E-Gitarristen mit seitlich aufknöpfbarer Jogginhose, zwei Teenie-Sängerinnen und einem Synthesizer-Mann. Der Leadsänger ist ein mittelalter Brillenträger mit Schirmmütze. Er rappt die berechtigte Frage „Was suchst du hier?“ Die Messner scheinen sich das auch zu fragen, machen aber unbeholfene Tanzbewegungen wie einst Oskar Lafontaine mit der Jugend-SPD. Die Kirchenbesucher gucken teils belustigt, teils peinlich berührt. Doch die zahlreich anwesenden Jugendlichen, die offensichtlich angesprochen werden sollen, sind nicht wegen HipHop hier. Der Konfirmandenunterricht drückt.

Der erste Schreck legt sich schnell. Die Predigt läuft nach bekanntem Muster. Jugendpfarrer Bernd-Jürgen Hamann sinniert über fallendes Herbstlaub und verspricht Fürsprache im Himmel. Dazwischen bricht immer wieder das „Projekt“ herein und stößt hemdsärmelig sphärisches Pumpern aus. Auch ein älterer Herr, vorher hauptsächlich damit beschäftigt, die Augenbrauen hochzuziehen, schaukelt inzwischen mit dem Fuß.

„Die meisten Kirchenbesucher sehen das wohlwollend“, weiß Gemeindemitgleid Jan Langer. Immerhin sind sie ungewöhnliche Musikgestaltung in ihrer Kirche längst gewöhnt. Seit über 15 Jahren feiert Pfarrer Hamann jeden ersten Sonntag im Monat eine Rockmesse.

Weil deren Besucher allmählich in die Jahre kommen, begannen vor drei Jahren die Techno-Messen in der Luisenkirche. Einmal war die Gemeinde mit einem Wagen auf der Love-Parade vertreten. „Techno nehmen wir jetzt aber aus dem Programm“, sagt Hamann. „Das ist out. Mit HipHop versuchen wir etwas Neues.“ Zwar weiß er, dass er mit solcherlei Angeboten „keinen Heiden in die Kirche lockt“, will aber der Jugend trotzdem Spaß bieten. Das indes häppchenweise. Am 5. Dezember ist erst mal wieder Gospelmesse unter der Überschrift „Worldwide Christmas“ dran. Kirsten Küppers