Falschgeld mit Übergewicht  ■   Von Ralf Sotscheck

Der Wirt meiner Stammkneipe zog mir das frisch gezapfte Glas Guinness weg. „Du wolltest mit Falschgeld bezahlen“, behauptete er, „die beiden Pfundmünzen sind ziemlich schlecht nachgemacht.“ Zum Beweis ließ er eine auf den Tresen fallen: Sie hörte sich billig und blechern an, ganz im Gegensatz zu dem glockenreinen wertvollen Klang der echten Münze, die er zum Vergleich herangezogen hatte. „Außerdem ist die Fälschung dünner, und der Rand hat eine andere Riffelung“, sagte er. „Man erkennt sie aber auch an der Jahresprägung: 1999 wurden gar keine Pfundmünzen hergestellt.“

Ich hatte die ganze Tasche voller 1999-Pfunde. Ein Getränk würde ich hier dafür nicht bekommen, soviel stand fest. Ich musste sie anderweitig loswerden. Zwei Münzen konnte ich dem Zeitungshändler unterjubeln, drei drehte ich dem Milchmann an, doch als ich beim Tankwart mit 16 einzelnen Münzen bezahlen wollte, wurde dieser misstrauisch. „Die sind alle falsch, die sind von 1999“, zeigte er sich wohlinformiert.

Ich gab auf. Am nächsten Tag warf ich das Falschgeld in den Klingelbeutel einer kirchlichen Einrichtung und malte mir im Geiste aus, wie die frommen Herren in der Bank der Falschmünzerei bezichtigt würden. Am Abend kam im Fernsehen die Meldung, dass die irische Staatsbank eine neue Serie Pfundmünzen herausgegeben habe, die etwas dünner sowie anders geriffelt seien und weniger Edelmetall enthielten, als die bisherige Version. Ich Klotzkopf hatte der katholischen Kirche echtes Geldes gespendet.

Der Versuch, meinen Wirt für das Debakel mitverantwortlich zu machen, scheiterte. „Ich kann in meiner Kneipe machen, was ich will“, erklärte er. „Wenn ich montags keine Zehn-Pence- Münzen nehme und dienstags nicht an Brillenträger ausschenke, ist das meine Sache. Und heute bediene ich keine Nichtraucher.“ Er hatte natürlich Recht. Und ihn mit Abstinenz erpressen zu wollen, wäre etwa so wirkungsvoll, wie Kriegsminister Joschka Fischer mit der Vergiftung von Friedenstauben zu drohen. Letzterer gehört längst selbst vergiftet, ersterer füllt seinen Pub auch ohne mich. Und ab Januar darf er seine Gäste noch länger ausbeuten: wochentags bis halb zwölf, am Wochenende – also ab donnerstags – bis halb eins. Die Gesetzesänderung grenze an vorsätzliche Körperverletzung, sagte ein hartgesottener Trinker.

Das findet auch die Polizei, die wenigstens zum Millennium das Schlimmste verhüten will. Justizminister John O'Donoghue hatte ursprünglich entschieden, dass die Pubs Silvester bis um halb neun Uhr in der Früh geöffnet bleiben dürfen. Das würde glatt zu Unruhen führen, stöhnte die Polizei. Das „Nationale Millennium-Komitee“ – ein weiterer Ausschuss, in dem sich die korrupte Politiker-Baggage gegenseitig die Euro- Gelder zuschustert – stimmte mit den Beamten überein. Auch die Wirte waren von der langen Nacht der Zapfhähne nicht eben begeistert, haben die Angestellten doch in Lohnverhandlungen einen Millenniumszuschlag gefordert, der es in sich hatte.

„Du hättest deine Leute ja mit falschen Pfundmünzen bezahlen können“, meinte ich hämisch zu meinem Wirt. Heute bediene er keine Menschen mit Übergewicht, antwortete er und zog mir mein Guinness unter der Nase weg.