Der Trend geht zu Stellenkürzungen

■ Der leichte Rückgang der Arbeitslosigkeit in Japan ist nur vorübergehend, prekäre Arbeit auf dem Vormarsch

Tokio (taz) – In den letzten Wochen haben drei große japanische Konzerne angekündigt, insgesamt 50.000 Stellen zu streichen. Trotzdem sinkt die Arbeitslosigkeit. Ein Zeichen für eine wirtschaftliche Erholung?

Leider nicht. Hinter den positiven Zahlen steckt ein Beschäftiggungsprogramm der Regierung, das schon in drei Monaten ausläuft. Außerdem werden immer mehr Ganztagsstellen durch schlecht bezahlte Temporärstellen ersetzt, viele Frauen haben die Suche nach einem Job aufgegeben.

Um 0,3 Prozentpunkte sank die japanische Arbeitslosigkeit im September gegenüber dem Juli-Rekordhoch von 4,9 Prozent. Danach sind nur noch 2,95 Millionen Leute stellenlos, 300.000 weniger als im Juli. Aber fast eine Million Japaner stecken derzeit in Fortbildungsprogrammen, wo sie alles Mögliche lernen: von der Wartung von Boilern bis zur komplizierten Lesart einer Konzernbilanz. Dafür gibt die Regierung umgerechnet rund 8,48 Milliarden Mark aus. Bis Mitte nächsten Jahres – wenn die wichtigen Parlamentswahlen stattfinden – hofft sie damit, das politisch brisante Problem der Arbeitslosigkeit in Grenzen halten zu können.

Heilen wird dieses staatliche Trostpflaster alleine die Arbeitslosigkeit jedoch nicht. Nach Nissan, das bis 2002 21.000 Stellen streichen will, plant auch der Telekom-Riese NTT 20.000 Leute zu entlassen, Mitsubishi Motors 11.000, und die soeben fusionierten Banken Sumitomo und Sakura werden ebenfalls rund 12.000 Angestellte auf die Straße setzen. „Durch die beschleunigte Sanierung der Konzerne und das Fusionsfieber wird der Arbeitsmarkt noch auf lange Zeit angespannt bleiben“, sagt James Malcolm, Analyst am Wertpapierhaus JP Morgan in Tokio.

Eine Arbeitslosenrate von über 5 Prozent gilt für die kommenden Jahre als sicher. Denn Carlos Ghosn, der ausländische Sanierer von Nissan, und seine NTT- und Mitsubishi-Kollegen sind beileibe nicht die einzigen „Cost Killer“ in Japan. Laut einer Erhebung des Arbeitsministeriums wollen 41 Großkonzerne in den nächsten zwei Jahre 12 Prozent ihrer Belegschaft oder 140.200 Leute von der Lohnliste streichen. Noch schlimmer fiel eine zweite repräsentative Umfrage desselben Ministeriums aus, nach der die japanischen Konzerne derzeit 2 Millionen Leute behalten, die eigentlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen entlassen werden sollten. Sollte sich das konjunkturelle Klima nicht schnell aufhellen, dann müssten sie die längst überfälligen Kündigungen sprechen, und dann wäre auch eine Arbeitslosenrate von nahezu 8 Prozent realistisch.

Diese Erhebungen nimmt die Regierung offensichtlich um einiges ernster als die eigenen Statistiken. Gegenwärtig schnürt sie ein neues Konjunkturpaket, das kleinere und mittlere Unternehmen subventionieren soll, damit sie den von den Konzernen Entlassenen eine neue Anstellung bieten können. Dabei wird voraussichtlich mit der ganz großen Kelle angerührt – im nächsten Halbjahr geht es um rund 84,8 Milliarden Mark Subventionen. André Kunz