Akrobat schööööööön
: Silberner Zylinder für Zirkusfrauen

■ Großer Erfolg für Bremer Schülerinnen beim Kölner Cirkusfest / Trotz technischer Fehler siegte die Kreativität

„Das Leben als Artist ist das Gleiche wie einen Tabakladen zu besitzen“, sagt Roger Schmitz, bekannt als artistisch-komische Tante Louise und seinen Auftritten mit „Get a grip“. Gelöchert wird er gerade mit den wissbegierigen Fragen von Lena, Sarah und Frederike. Sie haben beim Circusfest in Köln den „Silbernen Zylinder“ gewonnen. Wie bist du professioneller Artist geworden? Haben wir wirklich so viel gelernt? Wie, wir sollen unseren Namen ändern? Ist der Beruf nicht vielleicht doch zu unsicher? Das und noch viel mehr wollen sie, der Nachwuchs, von ihrem Trainer wissen, denn sie sind voll motiviert.

Dabei haben sie sich kaum Chancen ausgemalt. Elf zum Teil unter professioneller Anleitung arbeitende Gruppen aus ganz Deutschland und eine professionelle Gruppe der Cirkusschule Jauniba aus Lettland waren zu dem Wettbewerb angereist. Der Circus Radelito der Kölner Willy-Brandt-Schule hatte sehr harte Konkurrenz geladen. In der Jury saßen unter anderem der Präsident der Gesellschaft der Cirkusfreunde Deutschlands, Wolfgang Luft, und ein Vertreter vom Zirkus Roncalli.

Vor allem die Letten haben die 16-jährigen Bremerinnen der Cirkusschule Joake stark beeindruckt: „Die waren technisch so gut“, sagt Lena. Aber neben der Technik wurde auch die Kreativität der Nummern beurteilt, und da konnten die Gulivu-Frauen (wie sie sich selber nach einem Fantasie-Namen nennen) mit ihrer Darstellung überzeugen. Ball-Jonglage, akrobatische Figuren, tänzerische Elemente: Ein bisschen mystisch und geheimnisvoll sei ihre Nummer. Aus der Erstarrung würden sie von Musik begleitet langsam in den Handstand gleiten und fliegende Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der Nummern schaffen.

„50 Prozent des Könnens ist Präsentation und Ausdruck“, sagt Roger Schmitz. Da hätten die drei auch die größte Entwicklung gemacht. Vor einem Jahr hat er auf einem Workshop mit den Gulivu-Frauen die Nummer entwickelt. Im Frühjahr, als sie gezielter anfingen an der Darstellung zu feilen, sei alles noch Kraut und Rüben gewesen. Doch die Übereinstimmung bei der stilistischen Arbeit hätte sie gemeinsam zum Erfolg geführt. „Sehr schön“ sei die Zusammenarbeit gewesen. Und er bescheinigt seinen Schülerinnen: „Der Wettbewerb hat euch gezeigt, wo ihr steht. Euch stehen alle Möglichkeiten offen.“

Für die 200 Mark Preisgeld wird die Cirkusschule Joake, zu der Gulivu gehört, aller Voraussicht nach einen Teppich kaufen. Denn wenn man erwachsen und professionell werden will, müssen die Auftritte auch ohne Matten gehen. „Machen wir ja schon“, sagt Lena Precht. Im Dezember werden sie beim Heart-Breakers-Ball auftreten, im Frühjahr mit „Get a grip“ beim Fahrrad-Kongress im Schlachthof und bei Geburtstagen sowieso.

Ob als nächstes eine neue Technik erlernt, eine Zugabe entwickelt oder eine längere Varieté-Fassung ihrer Nummer einstudiert wird, darüber müssen sich Frederike, Sarah und Lena noch verständigen. Ideen haben sie viele und hoffentlich auch die weitere Unterstützung ihres Trainers. Der verhandelt noch mit Joake über seinen Vertrag.

Beate Hinkel