An Konfliktstoff mangelt es nicht

■ Innere Sicherheit und Verkehrspolitik sind die umstrittensten Themenfelder bei den Koalitionsgesprächen von SPD und CDU

Ausgerechnet ihren Frontstadtmann Landowsky will die CDU in die Arbeitsgruppe Einheit der Stadt schicken

Die neun Arbeitsgruppen von SPD und CDU, die in dieser Woche die Koalitionsverhandlungen aufnehmen, haben reichlich Konfliktstoff zu bewältigen.

In der Innen- und Rechtspolitik wird der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, den bekannten Horrorkatalog auf den Tisch legen: Der Unterbindungsgewahrsam soll von 24 Stunden auf vier Tage ausgedehnt werden. Diese Vorbeugehaft kann die Polizei auf richterliche Anordnung verhängen. Auch die rechtliche Absicherung des polizeilichen Todesschusses und die Videoüberwachung öffentlicher Plätze wünscht die CDU. Die entscheidende Frage: Wird SPD-Verhandlungsführer Klaus-Uwe Benneter standhaft bleiben? „Man kann nicht nur Abwehrschlachten führen“, sagte Benneter gestern, wollte sich aber nicht näher äußern. Nur so viel: Die Hilfssheriffs vom Freiwilligen Polizeidienst will die SPD abschaffen. „Mit Ersatzorganisationen ist der Sache nicht gedient“, so Benneter.

In der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sieht CDU-Unterhändler Frank Steffel „in vielen Punkten einen Konsens“. Der Unternehmer will „so sachlich und harmonisch wie in den letzten fünf Jahren“ mit SPD-Unterhändler Hermann Borghorst, einem Gewerkschaftssekretär, zusammenarbeiten. Als Dissenspunkt zeichnet sich jedoch die CDU-Forderung nach einer Senkung der Gewerbesteuer ab. Die SPD lehnt dies ab, weil Unternehmer bereits durch die Steuerreform der Bundesregierung entlastet würden.

Mit Bedacht hat die SPD ihren Haushaltsexperten Klaus Wowereit in die Arbeitsgruppe Kultur entsandt: Mehr als anderswo wird es hier vor allem ums Geld gehen. Nach Schätzungen aus der Kulturszene hinterlässt der scheidende Kultursenator Peter Radunski (CDU) ein Haushaltsloch von mindestens 50 Millionen Mark, das er teils aus Bundesgeldern, teils aus dem Etat des geschlossenen Metropol-Theaters bestritt. Die Operettenbühne aber will die CDU für 19 Millionen Mark jährlich wieder eröffnen.

Ums Prinzip geht es beiden Seiten in der Schulpolitik. Schon die Personenkonstellation verspricht Spannung: Der SPD-Linken Monika Buttgereit sitzt der CDU-Rechte Stefan Schlede gegenüber. Mit ihrer Forderung nach einem Pflichtfach Religion dürfte die Union auf entschiedenen Widerstand der SPD stoßen. Beim Bestreben nach größerer Leistungsorientierung in der Schule hat Schlede hingegen eine „große Annäherung in beachtlichen Teilen“ ausgemacht. Schließlich sind die Genossen am Ende der Wahlperiode mit dem Wunsch nach einer Schulzeit von nur zwölf Jahren bis zum Abitur vorgeprescht. Treibende Kraft dabei war Fraktionschef Klaus Böger, der auch als Schulsenator im Gespräch ist.

Dann würde Böger wohl auch die Wissenschaft übernehmen (siehe oben). Schon jetzt darf er sich über dieses Thema mit CDU-Expertin Monika Grütters streiten. Das Symbolthema Studiengebühren – CDU dafür, SPD dagegen – wird sich wohl entschärfen lassen. „Die CDU fordert das nur, weil sie weiß: Die SPD sagt Nein“, glaubt der SPD-Abgeordnete Bert Flemming. Mehr Autonomie für die Hochschulen, Geld nur gegen Leistung, mehr Studienplätze an Fachhochschulen – da besteht weitgehend Konsens. Strittig ist jedoch, woher das Geld dafür kommen soll.

SPD-Chef Peter Strieder darf sich um ein Mammutressort kümmern: Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt. In Strieders Augen präsentieren sich besonders die verkehrspolitischen Forderungen der CDU, die der Europaabgeordnete Ingo Schmitt vortragen wird, als Horrorszenario: Die Union will Tempelhof und Tegel, wo Strieder schon neue Stadtviertel geplant hat, als Flughäfen erhalten und obendrein mitten durch Schöneberg eine Autobahn planieren. „Diese Positionen gelten auch nach der Wahl“, versichert CDU-Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek. Dennoch dürfte die Union auf vieles davon bereitwillig verzichten – und nachher mit dem Finger auf die SPD zeigen. Gerade das aber will Strieder verhindern.

In der Gesundheits- und Sozialpolitik müssen CDU und SPD eine unerledigte, aber enorm wichtige Aufgabe aus der vergangenen Legislaturperiode anpacken: die elf städtischen Krankenhäuser müssen wettbewerbsfähigere, effizientere Strukturen bekommen. Die CDU, die mit der Reinickendorfer Bürgermeisterin Marlies Wanjura eine sozialpolitische Hardlinerin zur Verhandlungsführerin ernannt hat, favorisiert die Privatisierung der städtischen Kliniken: Als gemeinnützige GmbHs sollen die Häuser zu einer Holding zusammengefasst werden. Die SPD bevorzugt das ÖTV-Modell, wonach die Kliniken in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt werden. Weiteres Konfliktthema ist die SPD-Forderung, dass Berlin doch an dem Modellversuch zur staatlich kontrollierten Heroinabgabe teilnimmt. In dieser Frage dürfte die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer, die als ausgewiesene Sozialexpertin für die SPD die Verhandlungen führt, auf Granit stoßen.

Für die Arbeitsgruppe Einheit der Stadt will die CDU ausgerechnet Klaus-Rüdiger Landowsky ins Rennen schicken. Er fiel bislang vor allem mit Sprüchen auf, dass der Westteil der Stadt vor lauter Aufbau Ost zu kurz komme. Da werden sich die SPD-Unterhändler Andreas Geisel und Klaus Ulbricht warm anziehen müssen. Ralph Bollmann, Doro Winden