Das Loch ist erheblich größer“

■  Mit stark verbesserter Optik gewinnt der kalifornische Golfprofi Tiger Woods auch das Turnier im spanischen Valderrama und nähert sich langsam der Unschlagbarkeit

Berlin (taz) – „Tiger spielt wie ein Engel“, sagt der spanische Golfprofi José Maria Olazabal über seinen Konkurrenten Tiger Woods, den selbst das eher teuflisch gestimmte Publikum im spanischen Valderrama nicht daran hindern konnte, sein achtes Turnier in dieser Saison zu gewinnen. Das war seit 1974 niemandem mehr gelungen, das letzte Mal, das ein Spieler vier Turniersiege in Folge auf der PGA-Tour landen konnte, wie es dem 23-Jährigen jetzt gelang, ist sogar 46 Jahre her. Und wenn Tiger Woods weiter in der momentanen Form spielt, dann sind auch die elf Titel, die ein gewisser Byron Nelson 1945 sammelte, keine Utopie für den Kalifornier. „Hoffentlich spiele ich im nächsten Jahr dieselbe Art Golf, und dann werden wir sehen, wie viele Siege herausspringen“, meinte Woods nach seinem Triumph am Fuße des Felsens von Gibraltar an einem „harten, harten, harten Tag“.

Lange hatte Tiger Woods am Schlusstag in Valderrama wie der sichere Sieger ausgesehen, doch dann unterlief ihm ein peinlicher Fauxpas am gefürchteten 17. Loch, mit dem er schon 1997 unliebsame Bekanntschaft gemacht hatte. Damals war er als neuer Superstar zum Ryder-Cup, dem Match Europa gegen Amerika, nach Valderrama gereist und hatte miserabel gespielt. Diese Erinnerung holte ihn ein, als sein Ball am 17. Loch gemächlich ins Wasser trullerte und das Publikum darob in frenetischen Jubel ausbrach. Ein Benehmen, das im noblen Golfsport gegen jegliche Etikette verstößt. Doch der Triple Bogey von Tiger Woods eröffnete plötzlich dem Spanier Miguel Angel Jimenez die Chance zum Sieg und setzte eine patriotische Eruption beim Publikum frei. „Es war enttäuschend, das zu hören“, sagte Woods, „aber verständlich. Sie wollten ihren Mann siegen sehen.“

Die indezente Publikumsreaktion schien allerdings eher Jimenez zu irritieren, der seine unerwartete Führung mit einem Bogey am letzten Loch erstaunlicherweise verspielte. „Meine Chancen standen ziemlich schlecht“, wunderte sich Woods darüber, dass er plötzlich wieder im Rennen war. Das fällige Stechen unter Flutlicht entschied er dann mit einem Birdie für sich und hat nun von seinen letzten elf Turnieren acht gewonnen. „Es ist phänomenal“, sagt der Schotte Colin Montgomerie, „er ist im Moment bei weitem der Beste.“

Noch vor einem Jahr hatte es danach nicht ausgesehen. Nach seinem Blitzstart in den Profizirkus inklusive Masters-Sieg 1997 hatte Tiger Woods 1998 deutlich nachgelassen und nur ein Turnier gewonnen. Der magische Touch schien sich frühzeitig verflüchtigt zu haben. „Ich habe an mir gearbeitet“, sagt er heute. Vor allem die Umstellung seines Schwunges nahm einige Zeit in Anspruch, aber in diesem Jahr, so Woods, „passt alles zusammen“. Das findet auch Montgomerie, der freimütig zugibt: „Solche Schläge wie er bringe ich nicht zustande.“ Vor allem mit der Länge könne er nicht mithalten, „und auch niemand anders in der Golfwelt“.

Zu allem Überfluss hat Tiger Woods letzten Monat auch noch seine Optik verbessert. Nach einer Augenoperation benötigt er keine Kontaktlinsen mehr und kann schärfer sehen. „Jetzt, da ich sozusagen normal bin, kommen mir die Dinge größer vor“, sagt Woods und nennt ein Beispiel: „Das Loch ist viel größer.“ Wenig erbauliche Aussichten für Colin Montgomerie und seine Kollegen.

Matti Lieske