Die Million bleibt unauffindbar

Die Schmiergeldaffäre um einen Panzerdeal im Jahr 1991 wächst sich für die CDU zum Parteispenden-Skandal aus. Rot-Grün will Untersuchungsausschuss  ■   Von Nicole Maschler

Merkel stützt sich bei ihren Erklärungen auf die Aussagen des in Verdacht stehenden Finanzberaters der CDU, Weyrauch

Berlin (taz) – Die Schmiergeldaffäre um den ehemaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep bringt Generalsekretärin Angela Merkel in arge Bedrängnis. „Der Vorgang ist für uns nicht nachvollziehbar“, räumte Merkel gestern vor Journalisten in Berlin ein.

Eine Million Mark soll das ehemalige CDU-Präsidiumsmitglied Kiep 1991 von dem bayerischen Waffenhändler Karlheinz Schreiber kassiert und nicht versteuert haben – als Provision für den Verkauf von 36 ABC-Spürpanzern der Firma Thyssen an Saudi-Arabien.

Von der Augsburger Staatsanwaltschaft in die Mangel genommen, packte Kiep am vergangenen Freitag aus: Nicht er habe seinerzeit die Million bekommen, sondern der Finanzberater der Partei, Horst Weyrauch. Dieser habe das Geld auf ein Treuhandkonto zugunsten der CDU verschoben.

Der Verdacht der Ermittler: Kiep hat, als er 1992 im Gefolge der Flick-Affäre sein Amt als Schatzmeister räumen musste, Finanzberater Weyrauch angewiesen, dass Geld heimlich unter „verdienten Mitarbeitern“ zu verteilen. Die Begünstigten: der langjährige Generalbevollmächtigte des Schatzmeisters, Uwe Lüthje, und die „Weyrauch und Kapp GmbH“ selbst. Sie sollen das Geld „für die lange Zeit der Zusammenarbeit“ erhalten haben.

Im Rechenschaftsbericht der CDU von 1991, in dem nach damaliger Rechtsprechung jede Zuwendung von mehr als 40.000 Mark hätte aufgeführt werden müssen, findet sich laut Merkel jedoch kein Hinweis auf die angeblich geflossene Million. Im Zuge der parteiinternen Untersuchungen seien in den vergangenen Tagen alle damals am Rüstungsgeschäft beteiligten Mitarbeiter befragt worden, betonte Angela Merkel auf der Pressekonferenz. Ergebnis: negativ. Das Geld bleibt unauffindbar.

Für die Generalsekretärin besteht dennoch kein Anlass zu Zweifeln: „Wir haben keine Million bekommen.“ Ganz sicher scheint sie sich da allerdings dann doch nicht zu sein. Die versammelten Journalisten sollten bedenken, so Merkel, dass die heutige Parteiführung eben nicht dieselbe wie damals sei. Unter ihrer Ägide jedenfalls gebe es auch keine Treuhandkonten mehr.

In einem Punkt zumindest besteht Kontinuität: Der im Verdacht stehende Finanzberater Weyrauch ist auch heute noch in Diensten der CDU. Im Auftrag der Partei prüft seine Finanzberatungsfirma Wirtschaftsfragen. Für das Eintreiben von Spenden sei er heute aber ganz sicher nicht mehr zuständig, sagte Merkel.

Bei dem fraglichen Millionengeschäft rund um den Panzerdeal scheint es sich nicht um einen Einzelfall gehandelt zu haben: Im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Raffinerie im ostdeutschen Leuna durch den französischen Elf-Konzern sollen gar 100 Millionen Mark an Schmiergeldern geflossen sein. Wiederum war es Kiep, der Kontakt zum damals noch CDU-geführten Kanzleramt hielt und das Geschäft vermittelte. Ein Vorgang, zu dem Merkel sich auf der Pressekonferenz nicht äußern mochte. „Wir wollen den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht vorgreifen.“

Eines immerhin räumt Merkel ein: Der Rüstungskonzern Thyssen, der 1991 das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien angeleiert hatte, habe in der Vergangenheit Gelder an die CDU gespendet. „Aber diese Beträge stehen in keinem Vergleich zu dem Millionenbetrag“, betonte Generalsekretärin Merkel. Noch ist unklar, ob der Widerstand des Bundessicherheitsrates gegen das Panzergeschäft im Februar 1991 durch Spendenzahlungen des Konzerns gebrochen wurde.

Merkel stützt sich bei ihren Erklärungsversuchen auf die Aussagen ihres Finanzberaters Weyrauch. Mit dem ehemaligen Schatzmeister Kiep hingegen hat das CDU-Präsidium, dem auch Merkel angehört, nach eigenen Angaben bisher nicht gesprochen. Kiep war bereits 1991 im Zusammenhang mit der Flick-Affäre zu einer Geldstrafe von 675.000 Mark verurteilt, aufgrund eines Verfahrensfehlers aber freigesprochen worden.

Die Grünen fordern derweil einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um Licht in die Schmiergeldaffäre zu bringen. Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck schloss sich dieser Forderung an, sollte die CDU nicht alle Fragen um die Spendenaffäre „schnell und befriedigend“ beantworten. Den Vorwurf, die Aufklärung zu verschleppen, weist Generalsekretärin Merkel energisch von sich: „Die heute agierenden Personen haben nicht das geringste Interesse daran, etwas zu vertuschen.“