Autonome Randale in Nörrebro

Jugendliche liefern sich in Kopenhagen eine Straßenschlacht mit der Polizei. Anlass: Die geplante Ausweisung eines türkischen Jugendlichen    ■ Von Reinhard Wolff

Kopenhagen (taz) – Das Zentrum des Kopenhagener Stadtteils Nörrebro glich am Montag einem Schlachtfeld. Etwa 150 Autonome hatten am späten Sonntagabend ihren Unmut über eine Ausweisungsentscheidung der Justiz gegen einen 23-jährigen Türken mit Randale zum Ausdruck gebracht. Müllcontainer waren in Brand gesteckt worden, hunderte Schaufensterscheiben gingen zu Bruch, Autos wurden umgekippt und teilweise in Brand gesteckt. Als nach zwei Stunden die Polizei anrückte, artete der Zusammenstoss zeitweise zur reinsten Strassenschlacht aus, bei der auch Pflastersteine flogen. Ernsthafte Verletzungen scheint es aber – mit Ausnahme eines verletzten Pressefotografen – auf beiden Seiten nicht gegeben zu haben. Im Unterschied zum letzten massiven Zusammenstoß zwischen Polizei und Autonomen im Jahre 1993, als die Polizei sogar Schusswaffen einsetzte. Damals hatten autonome Gruppen ihrer Wut gegen den Ausgang der EU-Volksabstimmung Luft gemacht.

Der jetzigen Ausweisungsentscheidung lag ein Gerichtsbeschluss von Mitte vergangener Woche gegen Ercan Cicek, einen in Dänemark geborenen Türken, zugrunde. Würde die Ausweisung erfolgen, wäre es das erste Mal, dass ein Ausländer, der in Dänemark geboren und aufgewachsen ist, in ein Land abgeschoben wird, dessen Staatsangehörigkeit er zwar – formal – besitzt, mit dem er aber faktisch nie zu tun hatte. Es geht um einen Drogenabhängigen, der zur Finanzierung seines Heroinmissbrauchs wegen Raub und Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt worden war. Nach verbüßter Haft sollte er in die Türkei ausgewiesen werden.

Cicek hatte seine Straftaten allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit einem Komplizen, seinem Vetter Mahmut Cakir, begangen. Dieser wurde für die gleichen Straftaten zu einer um ein halbes Jahr längeren Haftstrafe verurteilt. Er ist zwar nicht in Dänemark geboren, besitzt aber die dänische Staatsangehörigkeit. Für ihn kommt eine Ausweisung nicht in Betracht. Der Rechtsanwalt von Cicek kündigte an, bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zu gehen, um die Abschiebung zu verhindern.

Dass es gerade in Nörrebro, Kopenhagens Kreuzberg, zu dem jetzigen Protest kam, hätte für die Polizei eigentlich keine Überraschung sein dürfen. Die Polizei erklärte ihre mangelnde Vorbereitung und eine zweistündige „Verspätung“ beim Einsatz mit „Personalengpässen“. Die autonomen Gruppen, denen von der Bevölkerung teils applaudiert wurde, die aber auch aufgefordert wurden, doch bei den „Reichen“ in der City Randale zu machen, waren bestens vorbereitet, kommunizierten mit Handys und organisierten ihre Aktionen so, dass der Polizei keine einzige Festnahme glückte.