Junger Wilder tritt zurück

■  Der Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzende Andreas Matthae ist überraschend von seinem Amt zurückgetreten. Intern werden dem 31-Jährigen „Führungsmängel“ vorgeworfen

Der einzige, der in der SPD zu Recht den Titel „Junger Wilder“ beanspruchen durfte, ist zurückgetreten. Andreas Matthae hat sein Amt als Kreuzberger Kreisvorsitzender niedergelegt – und das auch noch an seinem 31. Geburtstag.

Zu dem überraschenden Rücktritt hatte sich Matthae bei einer Kreisvorstandssitzung am Montagabend entschlossen. Dort hatte ihn der Vorstand vor die Alternative gestellt, zurückzutreten oder sich ein neues Team zu suchen. Die Arbeit im Kreisvorstand war schon seit längerem von internen Auseinandersetzungen geprägt.

Matthae war seit Mai 1997 Kreisvorsitzender und hatte sich innerparteilich als einer der schärfsten Kritiker der Parteiführung profiliert. Er zählt zum sogenannten Quintett der Jungen Wilden in der SPD, die im Frühjahr wesentliche Änderungen am Modernisierungspapier der SPD-Führung durchsetzen konnten.

Nach Ansicht der Kreuzberger Abgeordneten Elga Kampfhenkel führte jedoch gerade Matthaes Engagement auf Landesebene dazu, dass er die Arbeit im Kreisverband vernachlässigt habe. „In den letzten Monaten hat er den Kreis nicht mehr genug geführt.“ Von „Führungsmängeln“ sprach gestern auch der Kreuzberger Abgeordnete Hans-Joachim Kohl. „Die gesamte Organisation des Kreisverbands hat durchgehangen.“ Auch die Wahlkampforganisation sei nicht optimal gewesen. Dafür sei allerdings der gesamte Kreisvorstand verantwortlich, so Kohl weiter. Darüber hätte es schon früher eine offene Diskussion geben müssen. Dennoch kritisierte Kohl Matthaes Rücktritt gestern als „nicht richtig“: „In einer solchen Situation muss man den Kampf wagen. Das ist sinnvoller, als freiwillig vom Hof zu reiten.“ Bei einer frühzeitigen Diskussion wäre der Rücktritt vermeidbar gewesen, so Kohl.

An politischen Differenzen ist Matthae nicht gescheitert: Bei der SPD-Urwahl hatte er sich für Walter Momper ausgesprochen. Auf „Kreuzberger Linie“ lag er auch mit seiner Forderung nach dem Gang in die Opposition.

„Ich weiß, dass ich selber auch Fehler gemacht habe“, räumte Matthae gestern ein. „Den schwelenden Konflikt hätte ich schon früher angehen müssen.“ Vorwürfe, er habe im Kreisverband zu wenig vorangebracht, wies er entschieden zurück.

Matthae, der als Erzieher in einem Tiergartener Kindergarten arbeitet und Politikwissenschaft studiert, will weiterhin politisch aktiv bleiben. „Ich werde im Hintergrund Papiere schreiben.“ Sein Nachfolger soll bereits am 4. Dezember bei einer Kreisdelegiertenversammlung gewählt werden.

Dorothee Winden