Flugzeuge für das nächste Jahrtausend

Die unbemannten Flugmaschinen bestehen fast nur noch aus Flügeln. Tagelang sollen die solarbetriebenen Flieger in der Luft bleiben. Schon denkt man daran, ob sie nicht auch Satelliten ersetzen können  ■   Von Anatol Johansen

Eine sonderbare Flugzeugstaffel hatte die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa vor einigen Tagen auf das Gelände ihres Flugforschungszentrums Dryden in Edwards, Kalifornien, einfliegen lassen. Es handelte sich um fünf exotisch anmutende, sehr unterschiedliche Maschinen, die in den vergangenen fünf Jahren im Auftrag und mit Hilfe der Nasa von der amerikanischen Industrie entwickelt worden sind. Ziel der Luft- und Raumfahrtbehörde ist dabei der Bau von sehr leichten Flugzeugen, die unbemannt in extremer Höhe sehr langsam tage- und später auch wochenlang für zivile Forschungsaufgaben und Umweltuntersuchungen unterwegs sein können, ohne dabei zwischenzulanden oder in der Luft aufgetankt werden zu müssen.

Dabei würden das Einsammeln von Proben in der Hochatmosphäre ebenso auf dem Programm dieser Höhenflieger stehen wie die Untersuchung der globalen Umweltverschmutzung, die Kontrolle der Ozonschicht, Überwachung der Land- und Forstwirtschaft in mehreren Spektralbereichen, die Klimaforschung und anderes mehr.

Die Entwicklung der neuen Maschinen erfolgt im Rahmen eines speziellen Forschungsprogramms ERAST (Environmental Research Aircraft and Sensor Technology), das dazu bestimmt ist, wie die Nasa sagt, „neue Technologien zu entwickeln, um damit Amerikas Führungsposition in der von hartem Wettbewerb bestimmten Luft- und Raumfahrt auch weiterhin aufrechtzuerhalten.“

Dabei haben die Umweltforscher zwei Einsatzprofile erarbeitet, die sie für die Sammlung ihrer globalen Umweltdaten benötigen. Einmal müssten die neuen Höhenflieger sich mindestens zwei Stunden lang in einer Höhe von bis zu 30 Kilometern halten können, um dort Messungen vorzunehmen. Dazu sollen bis zu 250 Kilogramm schwere Messgeräte mitgenommen werden können. Die zweite Einsatzforderung: Der Flieger soll mit einer Nutzlast von etwa 500 Kilogramm mindestens 96 Stunden lang in Höhen zwischen 15 und 22 Kilometer wissenschaftliche Messungen vornehmen können.

Begonnen hat die Entwicklung bereits vor 20 Jahren, als es dem Segelflugchampion Paul MacCready 1979 gelang, mit einem selbstgebauten, nur von seiner Muskelkraft mit Pedalen angetriebenem Ultraleichtflugzeug erstmals den Ärmelkanal zu überfliegen. MacCready gründete dann im kalifornischen Pasadena die Firma AeroVironment und baute mit dem „Solar Challenger“ ein erstes unbemanntes, solargetriebenes Ultraleichtflugzeug.

Die Nasa wurde auf ihn aufmerksam und förderte MacCreadys Entwicklungen im Rahmen ihres ERAST-Programms. Am 7. Juli 1997 konnte daraufhin eine Weiterentwicklung des Solar Challenger, der ebenfalls solargetriebene und unbemannte Pathfinder, über Hawaii eine Rekordhöhe von annähernd 25 Kilometern erreichen. Was jetzt in Dryden vorgeführt wurde, ist der bisherige Höhepunkt der Solarflugzeug-Entwicklung.

Der „Centurion“ ist wie seine Vorgänger ein Nurflügelflugzeug, das praktisch nur aus einer großen Tragfläche aus leichtem Kohlenfaserverbundwerkstoff besteht. Die Flügeloberfläche ist mit Sonnenzellen belegt, die bei maximaler Sonneneinstrahlung gegen Mittag bis zu 31 Kilowatt an elektrischer Energie produzieren. An der Vorderkante des immerhin 62 Meter langen Flügels sind 14 von kleinen, jeweils nur 2 PS starken Elektromotoren getriebenen Propeller angebracht, die für den – sehr langsamen – Vortrieb sorgen. Der Centurion erreicht bei einem Gewicht von nur knapp 600 Kilogramm einschließlich einer Nutzlast von 75 Kilogramm, Geschwindigkeiten um 30 Kilometer pro Stunde.

Doch in Dryden wurde jetzt nicht nur der Centurion vorgeführt. Fast wie eine geflügelte Cruise Missile sieht der von der Firma General Atomics Aeronautical System vorgeflogene „Altus“ aus. Das sieben Meter lange, unbemannte Flugzeug mit einer Spannweite von 18 Metern vertraut – anders als der Centurion – auf konventionellen Antrieb. Ein 100 PS starkes Triebwerk treibt einen Propeller am Heck des Altus. Immerhin 30 Stunden lang kann sich das Fluggerät damit in einer Höhe von mehr als 20 Kilometer halten.

Ebenfalls von konventionellem Zuschnitt präsentierte sich in Dryden die rund eine Tonne schwere Propellermaschine „Perseus B“. Mit einem 80 PS starken Dreifach-Turbolader für die Flüge in großer Höhe ausgestattet, erreicht das von der Aurora Flight Sciences in Manassas, Virginia, entwickelte Flugzeug eine Höhe von 22 Kilometern und eine Flugzeit von maximal 24 Stunden mit einer Nutzlast von 125 Kilogramm.

Wohin die Entwicklung geht, zeigte in Kalifornien schließlich der Prototyp des „Helios“, eine Weiterentwicklung des Centurion. Dieses Nurflügelflugzeug erreicht die gigantische Spannweite von 75 Metern und klettert auf 30 Kilometer Höhe. Es soll im Jahre 2002 erste Langzeitflüge absolvieren. Der Helios wird jeweils zwei Drittel der über seine Sonnenzellen aufgenommenen Solarenergie in Spezialbatterien speichern. Mit dieser gespeicherten Energie fliegt er dann jeweils die Nacht hindurch – bis morgens seine Batterien erneut durch die Sonne aufgeladen werden. Die Nasa spricht denn auch heute schon von dem „ultimativen Solarflugzeug“ mit „tatsächlich ewiger Flugdauer in der Stratosphäre“.

Es müsste „das zuverlässigste je gebaute Flugzeug werden, da ein einziger Flug länger dauern könnte als die Zeit, die normalerweise zwischen zwei Überholungen eines Geschäfts- und Reiseflugzeugs vergeht“. Deswegen müsse der Helios mit sehr wenigen, sich bewegenden Teilen auskommen, mit viel Redundanz ausgelegt sein, bei niedrigen Temperaturen arbeiten und sich selbst überwachen. Eine durch Alterung auftretende eventuelle Verschlechterung seines Kontrollsystems soll der Höhenflieger selbst feststellen und korrigieren können. Ebenso muss Helios seinen Autopiloten bei eventuellen Kursabweichungen während des Fluges selbst neu konfigurieren können.

Kein Wunder, wenn man inzwischen schon daran denkt, den Helios auch als Satelliten-Ersatz anzubieten. Er könnte zum Beispiel – quasi als 30 Kilometer hoher Funkturm – als Nachrichtensatellit monatelang genutzt werden, zur Wartung oder neuer und verbesserter Instrumentierung auch zur Erde zurückgeholt werden und später mit eigener Kraft auch wieder starten – und das alles zu einem Spottpreis. Kostet ein mittlerer Nachrichtensatellit etwa 100 Millionen-Dollar – und die für ihn benötigte Startrakete noch einmal eine ähnliche hohe Summe – wären für einen Helios voraussichtlich nicht mehr als drei bis fünf Millionen Dollar zu zahlen. So hat man denn für den Helios und seine Brüder bei der Herstellerfirma AeroVironment denn inzwischen auch schon einen neuen Namen. Die neuen, unbemannten Höhenflieger werden demnach – jedenfalls dann, wenn sich die hoch gespannten Erwartungen erfüllen sollten – die Atmosphären-Satelliten des neuen Jahrtausends.