Den Gipfel der Macht erklommen

■ Clinton freut sich, dass USA Kalten Krieg gewonnen haben. Chirac freut sich über Visionen des „deutschen Brudervolkes“

Wir haben Milliarden ausgegeben, um den Kalten Krieg zu gewinnen“, sagte US-Präsident Bill Clinton anlässlich des zehnten Jahrestages des Mauerfalls vor Studenten der Washingtoner Georgetown-Universität. „Heute stehen wir auf dem Gipfel unserer Macht und unseres Wohlstandes – zu meinen Lebzeiten haben wir noch nie eine derartige Prosperität genossen –, und da sollten wir das Werk nicht vollenden?“

Clinton nutzte den Jahrestag, der gleichsam zum Symbol wurde für den Zusammenbruch des Ostblocks, auch für eine außenpolitische Grundsatzrede und einen Angriff auf seine politischen Widersacher im Kongress. Der Präsident warf den Republikanern vor, sich aus der weltpolitischen Verantwortung stehlen zu wollen. Doch die Lehre aus dem Mauerfall könne nur eine weiterhin aktive amerikanische Außenpolitik in Europa, im Nahen Osten und im Mittelmeerraum sein.

Er berief sich auf die früheren Präsidenten, den Republikaner Ronald Reagan und den DemokratenJimmy Carter. Der eine habe sich nicht gescheut, die Sowjetunion als das zu bezeichnen, was sie war, als „Reich des Bösen“, und Carter habe Amerika mit den Dissidenten verbündet.

Heute, zehn Jahre nach dem Mauerfall, sei die Arbeit aber noch nicht getan. Jetzt gehe es darum, das Versprechen einzulösen, das mit dem Niedergang des Kommunismus gegeben wurde. Dazu gehöre die Überwindung der Spaltung Europas in Arm und Reich, die Vollendung der Europäischen Einigung und die Bewahrung des Friedens.

Clinton nannte vier Ziele einer aktiven Außenpolitik: Die Partnerschaft mit Russland, eine Demokratisierung der Balkanstaaten, eine Friedensregelung in der Ägäis, die der Türkei den Weg nach Europa öffnet, und die Erhaltung der amerikanischen Führungsrolle in der Welt.

„Als der Kalte Krieg zu Ende ging, haben wir uns nicht davongestohlen,“ sagte Clinton, „wir haben die Wiedervereinigung unterstützt, Frieden und Sicherheit auf dem Balkan hergestellt und die Türkei dabei unterstützt, Europa die Hand zu reichen.“

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac nahm den Jahrestag des Berliner Mauerfalls weniger zum Anlass, sich selbst und die Rolle seines Landes, als vielmehr die Revolutionäre von damals, die den friedlichen Umbruch ermöglicht haben, zu loben. In einem Brief an den deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau sprach er am Dienstag den „Helden des 9. November 1989“ seinen Dank für ihren Mut und Visionen aus. Die Ostdeutschen, die auf die Straße gingen und die Regierenden der DDR in die Knie zwangen, hätten der schändlichen und absurden Teilung in Europa ein Ende bereitet und eines der „ersehntesten, prägendsten und gerechtesten Ereignisse des ausgehenden Jahrhunderts“ geschaffen.

Das Schreiben schließt mit den Worten: „In diesen Momenten der Rührung und der Freude wünsche ich dem deutschen Volk – dem Bruder des französischen Volkes – Glück und Erfolg.“ taut/vw