Torzauber in den Abruzzen

In der Bundesliga schießt Inka Grings ihre Tore so fließbändig wie einst Gerd Müller. Heute Nachmittag will sie auch in der EM-Qualifikation gegen Italien treffen    ■ Von Rainer Hennies

Berlin (taz) – „Gegen Italien haben wir vom Remis bei der WM noch eine Rechnung offen“, sagt Inka Grings vor dem heutigen EM-Qualifikationsspiel im Abruzzenort Isernia (ZDF, 16 Uhr, Aufzeichnung) und fügt hinzu: „Natürlich will ich Tore schießen.“ Als ob das nicht selbstverständlich wäre. Die Stürmerin spielt beim Vizemeister FCR Duisburg, dem derzeitigen Spitzenreiter der Bundesliga, und sie hat diese Saison in neun Punktspielen bereits 24 Treffer erzielt. Bloß einmal mehr hatte sie während der gesamten Saison 98/99 getroffen und war damit Torschützinnenkönigin geworden. Wenn sie im bisherigen Tempo weitermacht, sind die 36 Tore, die Heidi Mohr 1990/91 für den TuS Niederkirchen geschossen hat, bisher das Nonplusultra in Deutschlands weiblicher Eliteliga, schon lange vor Ende der Spielzeit Geschichte.

„Ich wage es gar nicht, meinen Schnitt hochzurechnen“, sagt die 21-Jährige, die bislang in jeder Partie mindestens einmal getroffen hat. „Ich muss die Bälle oft nur versenken, weil ich sie mustergültig aufgelegt bekomme“, führt Inka Grings die aktuelle persönliche Torflut auch auf die Spielweise ihres Teams zurück. „Wir spielen beim FCR Duisburg offensiver und erfolgreicher als je zuvor“, sagt Grings, dadurch gäbe es mehr Torchancen. „Man trifft öfter, dadurch steigt das Selbstbewusstsein, man traut sich mehr zu.“ Und trifft noch mehr.

Ein Erfolgsrezept, dass sich auf das Nationalteam offenbar nicht so leicht übertragen lässt. Zwar können sich 15 Tore in 27 Länderspielen durchaus sehen lassen, doch gerade gegen starke Gegnerinnen versagte der Zauber des öfteren. So gelangen ihr bei der WM gegen Mexiko zwar drei Treffer, doch zum Beispiel gegen den späteren Weltmeister USA ging sie beim 2:3 im Viertelfinale leer aus. Abgesehen von stärkeren Verteidigungsreihen bei den Spitzenteams dieser Welt, auch eine Frage des Kopfes, glaubt sie selbst. Mit DFB-Cheftrainerin Tina Theune-Meyer hat Inka Grings die Torschusshemmung in großen Spielen erörtert und ist zuversichtlich, dass sie in Zukunft auch gegen die USA, China oder Norwegen treffen wird: „Wir haben das Problem erkannt und arbeiten daran.“

Die Partie des Europameisters beim Vize-Europameister Italien könnte einen ersten Schritt zur Besserung darstellen. Die Ausgangsposition in der Gruppe drei der Qualifikation zur EM 2001 ist nach den Siegen gegen Island und die Ukraine gut, das heutige Match gegen die Italienerinnen könnte bereits eine Vorentscheidung sein. „Wir wollen Gruppensieger werden. Ich fordere daher von meiner Mannschaft in allen Belangen Dominanz gegen diesen Gegner“, sagt Theune-Meyer.

Die Rückspiele finden im nächsten Frühjahr statt, wenn die Bundesligasaison für Inka Grings und ihre Mitstreiterinnen langsam zu Ende geht und Olympia, der absolute Jahreshöhepunkt, in den Vordergrund rückt. Anders als bei der WM 1999, hat der DFB diesmal dafür gesorgt, dass Tina Theune-Meyer genügend Zeit zur Vorbereitung hat und auch das Turnier im Juli zum 100-jährigen DFB-Jubiläum mit den USA, China und Norwegen ausreichend präpariert bestritten werden kann. Da die Spiele in Sydney vom 13. September bis zum 1. Oktober dauern, beginnt die Bundesligasaison 00/01 erst am 15. Oktober. Ab Mitte Juni soll der Nationalkader beisammen sein, während die Klubs einen Ersatzwettbewerb ausspielen. Für die abgestellten Nationalspielerinnen erhalten die Vereine eine Entschädigung vom DFB. Insgesamt plant der Verband, eine Million Mark zu investieren.

„Es ist allen Beteiligten klar, dass Olympia Priorität hat und ein erfolgreiches Abschneiden von gegenseitigem Interesse ist“, sagt Willi Hink vom DFB. Damit hat sich die Denkweise von Siegfried Dietrich durchgesetzt. „Der Verein hat was davon, wenn Spielerinnen im Nationalkader stehen“, sagt der Manager des Meisters 1. FFC Frankfurt, „und der DFB hat was von guter Vereinsarbeit.“

Bleibt nur noch das Problem, wie Inka Grings, die beim Fußball-Verband Niederrhein als Auszubildende tätig ist, und die anderen unter halbprofihaften Bedingungen spielenden Akteurinnen des Nationalkaders die lange Vorbereitungszeit finanzieren sollen. Vom DFB haben sie jedenfalls nichts zu erwarten. „Von einer Spielerin, die 2.000 Mark monatlich vom Verein bekommt“, benennt Willi Hink die Grenzen der Großzügigkeit, „darf ich erwarten, dass sie im Job kürzer tritt.“