■ Die Sozialistische Internationale jenseits des Eurozentrismus?
: Erste Schrittchen

Die Dritte Internationale ist längst dahin. Übrig geblieben sind die Sozialdemokraten mit der nach dem Zweiten Weltkrieg neu begründeten Sozialistischen Internationalen (SI). Zur Zeit des Dreigestirns Brandt/Kreisky/Palem begann sich das Unternehmen, bis dahin ein exklusiver europäischer Klub, in Richtung Süden auszudehnen. Nach 1989 klopften alte und sozialdemokratisch gewendete Genossen aus Osteuropa an die Tür. Die SI wächst und wächst.

Aber wie häufig in der organischen Welt einschließlich der Welt der Organisationen entspricht dem schellen Wachstum keine entsprechende Kräftigung von Körperbau und Gehirn. Nicht auf den Kongressen und den Fachkonferenzen der Sozialistischen Internationale finden wichtige Debatten und Entscheidungen statt. Die Musik spielt bei der Europäischen Sozialistischen Partei, genauer bei den Gipfeltreffen ihrer Parteiführer, die regelmäßig versuchen, der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament zu einer gemeinsamen Strategie zu verhelfen.

Hat sich in Paris irgendetwas an dieser Machtverteilung geändert? Unter der Leitung von Felipe Gonzáles hat eine Arbeitsgruppe der SI das Projekt „Globaler Fortschritt“ ausgearbeitet, dessen Konzentrat jetzt unter dem Namen „Erklärung von Paris“ verabschiedet wurde. Selbstverständlich einmütig. Das Projekt hatte sich vorgenommen, den weltweiten Globalisierungsprozessen nicht nur hinterherzuhinken, sondern ihnen politische Rahmenbedingungen vorzugeben. Die Deklaration endet daher mit so etwas wie einem 6-Punkte-Aktionsprogramm.

Was dort hinsichtlich der globalen Ökonomie sowie der weltweiten Stärkung von Demokratie und Menschenrechten vorgelegt wurde, ist zwar nicht bestürzend neu, geht aber doch weiter, als es unserem Bundeskanzler lieb sein dürfte. In Sonderheit die Forderung nach regulierenden Rahmenbedingungen für den kurzfristigen internationalen Kapitalfluss, nach größerer Transparenz der internationalen Finanzinstitute und noch einige andere schöne Dinge mögen in Saarbrücken auf geneigtere Ohren treffen als in Berlin.

Sicher hat sich der scheidende SI-Präsident Pierre Mauroy geirrt, als er, mit Blick auf die globale Bewegung, die Wahl seines portugiesischen Nachfolgers Antonio Guterres als „Symbol für die Öffnung der Organisation nach Süden hin“ feierte. Aber mit ihrer Deklaration hat sich die SI wenigstens mit einigen Forderungen vom sicheren Terrain des Eurozentrismus fortbewegt. Christian Semler