: Wandernde Pappnase wieder auf Achse
■ Karneval sichert mehr Vollzeit-Arbeitsplätze als die Atomindustrie
Berlin (taz) – Eine wandernde Art fehlt auf der derzeit stattfindenden Konferenz über wandernde Tierarten in Kapstadt: die pappnas migratorii, die wandernde Pappnase. Bisher eher bekannt im Köln-Düsseldorfer Raum mit seltenerem Vorkommen im Voralpenland und Mainz, siedelt sich die gut an ihrer Nase erkennbare Art mittlerweile auch in Berlin und Umland an. Und heute um 11.11 Uhr startet wieder die Saison.
Dabei geht es nicht nur um Alaaf und Helau, sondern auch ums Geschäft: Die Herstellung von Orden und Kostümen sichert nach Angaben des Präsidenten des Bundes Deutscher Karneval 50.000 Vollzeitarbeitsplätze in der Bundesrepublik. Das sind 12.000 mehr als bei der Atomindustrie. Das Marktvolumen beträgt bis zu fünf Milliarden Mark Umsatz jährlich bei Ausstattern, Dienstleistern und Unternehmen. Nicht gezählt sind dabei die Arbeitsplätze der Pappnasenherstellung, denn die befinden sich laut Filialleiter Frank Schröder von der Kölner Firma Karnevalswierts in Fernost. Ab nächstes Jahr gibt es erstmals auch eine internationale Karnevalsmesse, außerhalb der Saison, im Juni.
Das Erkennungszeichen der wanderfreudigen Spezies, die es selten länger als drei Stunden an einem, vorzugsweise dunklen, feuchten und lauten Ort aushält, gibt es mittlerweile nicht nur in der roten Einfachausführung aus Plastik. Besonders begehrt sind nach Angaben von Schröder die große Gummiausführung mit Quietscheffekt sowie die Pappnase mit Nasenführung und verlängerter Öffnung. Ebenfalls in Mode gekommen sind blinkende Pappnasen. Alle Modelle, von denen seine Firma „mehrere tausend“ pro Jahr verkaufe, seien „unverwüstlich“. Sie habe ihre Verbreitung auch nicht mehr nur im westdeutschen, sondern auch im ostdeutschen Raum. „Wir bekommen ganze Busse zu Besuch, um sich auf unseren 2.000 Quadratmetern Kostüme auszusuchen“, so Schröder.
Vorwiegende Farbe der Pappnasen ist immer noch Knallrot. „Es gibt aber auch Fremdgänger, die sich schwarze Pappnasen aufsetzen“, erklärte Schröder.
Beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden gibt es leider keine genaueren Zahlen über den Import und damit über die Entwicklung der Spezies. Pappnasen werden hier nicht gesondert erfasst, sondern laufen hier unter „andere Waren aus Pappmaché und aus Pappe“, erklärte ein Sprecher des Amtes, was nicht einleuchtet, weil Pappnasen nicht aus Pappe sind.
Maike Rademaker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen