Verhandlungen auf vermintem Terrain

Heute beginnen Grüne und SPD über die Neuformulierung der Rüstungsexport-Richtlinien zu sprechen – und mühen sich um Optimismus. Derweil kursieren Meldungen von weiteren Exporten an die Türkei  ■   Von Karin Nink

Berlin (taz) – Heute treffen sich Grünen- und SPD-Fraktionsvertreter erstmals mit den zuständigen Ministerien, um über die Neuformulierung der Rüstungsexport-Richtlinien zu sprechen. Zunächst wird es nur um Verfahrensfragen gehen, die inhaltlichen Auseinandersetzungen folgen in den nächsten Sitzungen. Die Vertreter der Parteien, Claudia Roth (Grüne) und Gernot Erler (SPD), geben sich optimistisch, dass beide Seiten „den Wunsch haben, die Richtlinien ernsthaft zu überarbeiten“, so Roth. Dennoch schwelt in der Koalition der Streit um Rüstungsexporte weiter. Anfang der Woche hatte die Grünen-Verteidigungsexpertin Angelika Beer ein Moratorium für alle Rüstungsexporte gefordert sowie ein parlamentarisches Kontrollgremium für den geheim tagenden Bundessicherheitsrat, der über Waffenlieferungen entscheidet. Sie drohte mit dem Ende der Koalition, sollte es weitere Lieferungen an die Türkei geben.

Verteidigungsminister Scharping (SPD) dagegen lehnt das geforderte Kontrollgremium ab. Auch zu der grünen Forderung, im Bundessicherheitsrat nur noch einstimmige Entscheidungen zuzulassen, äußerte er sich überaus zurückhaltend. Dieses faktische Vetorecht wollen die Grünen, seit bei der Testpanzerlieferung an die Türkei im Oktober der grüne Außenminister Joschka Fischer und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiezcoreck-Zeul (SPD) von Scharping, Kanzler Schröder und Wirtschaftsminister Müller überstimmt worden sind. Was die Überarbeitung der Rüstungsexport-Richtlinien betrifft, ist Scharping offensichtlich der Meinung, dass die Formulierung bezüglich der Menschenrechte in der jetzigen Fassung ausreicht. Denn er verwies darauf, dass die Menschenrechtslage in den Empfängerländern schon jetzt ein Entscheidungskriterium über Rüstungsexporte sei.

Gerade dieser Punkt aber ist nach Meinung der Grünen nicht verbindlich genug formuliert. „Da reicht ein Spiegelstrich in der Präambel nicht aus“, betont Roth – auch in Einvernehmen mit ihrem Kollegen Erler. Der SPD-Linke Erler geht davon aus, „dass der Bundessicherheitsrat in der Zeit, in der wir über die Neufassung debattieren, keine Entscheidungen zu größeren oder sensiblen Objekten fällen wird“; eine Erwartung, die auch Roth teilt.

Die Grünen, die nach dem Testpanzer-Debakel auf die Neuformulierung der Richtlinien gedrungen haben, wollen nicht nur die Frage der Menschenrechte präzisiert wissen. Sie wollen auch darüber diskutieren, inwieweit sich Rüstungsexporte nachteilig auf die Entwicklung eines Landes auswirken. Und über die Frage, wie künftig bei Kooperationsgeschäften mit anderen Ländern, etwa Frankreich, verfahren wird, in denen Rüstungsexporte schon jetzt großzügiger gehandhabt werden als in Deutschland.

Ein brisanter Punkt: Nach einem Bericht des ARD-Magazins „Monitor“ von heute Abend will die Türkei bis zu 145 deutsch-französische Kampfhubschrauber vom Typ Tiger kaufen. Zunächst soll, wie beim Panzergeschäft, ein Testhubschrauber geliefert werden; die Zusage, so „Monitor“, liege bereits vor. Da die Ausfuhr über Frankreich abgewickelt wird, sei eine Zustimmung des Bundessicherheitsrats nicht erforderlich.