■ Kommentar
: Absurde Geheimniskrämerei  Rüstungsexporte müssen offen diskutiert werden

Gernot Erler könnte demnächst ins Gefängnis wandern. Jedenfalls wenn die Bundesregierung einer Empfehlung folgt, die er selbst ihr gestern gegeben hat. Innenminister Schily solle nach den Missetätern fahnden, die in den letzten Wochen immer wieder Details aus den Beratungen im Bundessicherheitsrat preisgegeben haben, forderte namens der SPD-Fraktion ihr stellvertretender Vorsitzender Erler.

Juristisch ist der Vorstoß der eifrigen Sozialdemokraten gedeckt. Wer öffentlich über die streng vertraulichen Sitzungen plaudert, muss mit einer Haftstrafe wegen Geheimnisverrats rechnen. Wie absurd die Vorstellung ist, den Bundessicherheitsrat auf diese Weise abzuschirmen, zeigte die Aktuelle Stunde im Bundestag vor zwei Wochen: Jede Menge Abgeordnete, darunter Gernot Erler, ließen sich dort en detail über den umstrittenen Panzerdeal mit der Türkei aus. Offiziell durften die Abgeordneten nichts wissen, woher also kannten sie Details?

Entweder wurden sie von Mitgliedern des Bundessicherheitsrats ins Vertrauen gezogen. Dann haben sie selbst die Schweigepflicht verletzt. Oder sie verdanken ihre Kenntnisse den Medien. Dann sollten sie dankbar sein für die Indiskretionen, die eine Berichterstattung erst möglich machten. In jedem Fall breiteten sie vor der Fernsehnation genau die Geheimnisse aus, die sie nun von der Polizei schützen lassen wollen. Der aufrichtigere Schritt sähe anders aus: Rot-Grün muss die Geheimhaltung im Bundessicherheitsrat aufheben.

Freunde der Heimlichtuerei argumentieren, Rüstungsexporte seien zu sensibel, um sie öffentlich zu erörtern. Doch dieses Argument ist in der Realität längst überholt. Ob diskret oder indiskret, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, findet seinen Weg nach draußen.

Durch die Aufhebung der Geheimhaltung würde die Regierung anerkennen, was seit der Debatte um den Testpanzer für die Türkei klar ist: Rüstungsexporte sind politische Weichenstellungen. Wer sie trifft, sollte sich in einer Demokratie dafür rechtfertigen müssen. Wenn Minister wie Rudolf Scharping schon ein parlamentarisches Kontrollgremium für den Sicherheitsrat ablehnen, muss die Regierung der Öffentlichkeit wenigstens mitteilen, was sie in deutschem Namen entscheidet . Patrik Schwarz

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