Russischer General will bomben, bis kein Haus mehr steht

■  Moskau weitet Angriffe in Tschetschenien aus. OSZE besucht Flüchtlinge in Inguschetien. Grüne EU-Abgeordnete fordert Sanktionen gegen Russland

Moskau/Berlin (rtr/AFP/dpa/taz) – Russland scheint entschlossen, die Tschetschenen in die Knie zu zwingen, egal um welchen Preis. Der Chef der russischen Streitkräfte im Kaukasus, Wiktor Kasanzew, sagte, die Militäroperation werde möglicherweise Jahre dauern. Gleichzeitig erklärte Kasanzew, seine Truppen könnten den Krieg „innerhalb einer Woche“ beenden, sollte er den Befehl dazu von Präsident Jelzin erhalten. „Ich könnte mit Bomben alles einebnen; dann kommen die Überlebenden gleich mit der weißen Flagge angelaufen.“

Unterdessen weiteten russische Kampfflugzeuge und Hubschrauber gestern ihre Angriffe auf Stellungen der islamischen Kämpfer in Tschetschenien aus. Wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete, wurden vor allem im Süden Bomben abgeworfen. Russische Soldaten töteten eigenen Angaben zufolge mindestens zehn Rebellen, die aus dem eingekesselten Gudermes fliehen wollten.

Unter Ausnutzung des schlechten Wetters gruppierten die muslimischen Rebellen unterdessen nach Erkenntnissen russischer Militärs ihre Verbände um. Während in der Hauptstadt Grosny die Stellungen zur Rundumverteidigung weiter ausgebaut wurden, bereitet sich die tschetschenische Regierung nach Einschätzung des russischen Verteidigungsministeriums zur Flucht vor. Sie wolle ins Exil nach Georgien gehen.

Eine Delegation der OSZE traf gestern Vormittag im Kaukasus ein. Unter anderem wollten sich die Diplomaten einen Eindruck von der Lage der tschetschenischen Flüchtlinge in Inguschetien verschaffen. Im Hinblick auf den OSZE-Gipfel am 18. und 19. November in Istanbul sprach sich die grüne Abgeordnete des Europaparlaments, Elisabeth Schroedter, für Sanktionen der Staatengemeinschaft gegen Russland aus. „Wenn der Westen jetzt nicht ernsthaft versucht, klar zu sagen, dass der Tschetschenien-Krieg keine innere Angelegenheit Russlands ist, weil internationale Menschenrechte nicht die innere Angelegenheit eines Landes sein können, setzt er sich dem Vorwurf der Doppelmoral aus“, sagt Schroedter im taz-Interview.

Ein Sprecher des russischen Außenministeriums kündigte an, dass Russland in Istanbul über die Tschetschenien-Offensive informieren wolle. Gleichzeitig sei Moskau aber dagegen, dass Tschetschenien in den Mittelpunkt gestellt werde. Die Bundesregierung kündigte indes an, trotz des Tschetschenien-Krieges den Änderungsvertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) beim OSZE-Gipfel zu unterzeichnen. bo

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