Krieg nach dem Frieden

■ Vorm Soldatsein geflüchtet: Die Angst vor der Rückkehr nach Ex-Jugoslawien

Sie gelten zu Hause als Verräter, Deserteure, Feinde: alle Männer zwischen 18 und 55 Jahren, die in Ex-Jugoslawiens Splitterstaaten nicht am Krieg teilgenommen haben. „Die Regierungen selbst befinden sich noch im Kriegszustand“, spitzt Dejan Lazic seine Analyse des „Friedensschlusses“ zu. Die männlichen Flüchtlinge hätten in ihrer „Heimat“ nichts anderes zu erwarten, als daß ihr Kopf rollt.

Dejan Lazic vom Internationalen Flüchtlingsforum (IFF) arbeitet seit sechs Monaten zusammen mit BewohnerInnen der Sammelunterkünfte daran, eine Selbstorganisation der Flüchtlinge aufzubauen. Die „Interesna Zajednica Izbjeglica“ (IZI) will sich als erste nicht-nationalistische Flüchtlingsgruppe um Rechte und Bedürfnisse der Exilanten kümmern.

„Fast alle bisherigen Selbstorganisationen“, berichtet Lazic, „haben sowohl mit der deutschen Regierung wie mit den nationalistischen Parteien in Kroatien, Bosnien und Serbien eng zusammengearbeitet.“ Auf diese Weise seien die Flüchtlinge mit Absicht in Unsicherheit über ihren Status gehalten worden – damit sie rückkehrwillig blieben – und hätten sogar Geld an die Kriegsparteien abführen müssen.

„In dem Vertrag, der jetzt geschlossen worden ist, steht nichts über die Zukunft der Flüchtlinge“, sagt Mladen A., Mitglied von IZI. „Ich habe dort keine Perspektive. Wie soll ich in ein Land zurückkehren, wo die Kriegstreiber nun die Regierung stellen und Nachbarn aufeinander geschossen haben?“ Heimweh habe er schon, aber „Heimweh nach früher“, nicht nach dem Land, wie es jetzt aussieht.

Esad K., ebenfalls IZI-Mitglied, ist sich sicher, daß er zurückmuß; ob er das will, stehe dahinter zurück. „Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen den Flüchtlingen, die gleich zu Beginn des Krieges gekommen sind, und denen, die die Kriegsgreuel noch miterlebt haben: Die einen wollen zurück, die anderen nicht.“ Es seien auch eher die älteren Leute, die trotz allem nach Hause wollten. Was Esad K. erwartet, weiß er nicht. Denn wenn er erst zurück ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, rauszukommen: Alle Grenzen sind dicht.

„Ich fühle mich wie Atommüll, ungewollt und hin- und hergeschoben“, sagt Mladen A. „Wenn ich zurückmuß, wird das schlimmer als die Hölle.“ uwi