Stummes Warten auf eine Zukunft

■ Bosnische Flüchtlinge in Hamburg kommentieren Friedensplan mit Sprachlosigkeit Von Stefanie Winter

„Wollen Sie zu den Bauwagenleuten, den Bosniern, oder kommen Sie wegen der Pakete nach St. Petersburg“, fragt die Frau, die für die Pakete zuständig ist. Sie weiß, daß die Bauwagenleute rechtsrum zu finden sind, die Bosnier hinten links – und nicht nebeneinander, weil die Bosnier das nicht wollten. „Die haben schließlich Kinder...“

„Die Bosnier“ meint einen Platz am Hamburger Volksparkstadion. Ein knappes Dutzend Wohnwagen, ein Mann, der Laub zusammenharkt, eine Frau, die Wäsche aufhängt. Der Mann spricht kein Deutsch. Deutet auf die Nachbarin mit der Wäsche: „Sie vielleicht.“ Und die Frau hört das Wort „Zeitung“, senkt ihren fragenden Blick, „ach so“. Als hätte sie wissen müssen, daß ihnen außer journalistischer Neugier sowieso kein Interesse entgegengebracht wird. „Ich möchte nichts sagen“, meint sie. Und: „Tut mir leid.“ Kein Wort über das, was Politiker „Frieden“ nennen. Und für sie und andere bosnische Flüchtlinge demnächst „Abschiebung“ bedeutet – auch wenn Behörden „vorerst keine Auswirkungen“ versprechen.

Das Camp, wie der Platz fröhlich genannt wird, soll bis Jahresende geschlossen werden. „Wir“, sagt Christina Baumeister, „wollten nicht noch einmal in den Winter mit den Wohnwagen.“ Die Pressesprecherin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales erklärt, daß die Bewohnerinnen und Bewohner „nach und nach“ woanders untergebracht werden. Ob einige von ihnen dann direkt „zurück“ müssen, weiß die Pressefrau nicht. Sie erwarte jedoch frühestens zum Jahresende von der Innenbehörde „eine Abschätzung, in welche Richtung das geht“.

Der Stundenplan am Büro-Container des Volkspark-Camps verspricht Öffnungzeiten bis 16.30 Uhr. Es ist halb vier – die Tür verschlossen. Die Leiterin habe eine Vertretung im Camp an der Kieler Straße übernommen, weiß ein Betreuer. Ein etwa zwölf Jahre altes bosnisches Mädchen kennt den Fußweg dorthin genau. Er dauert 20 Minuten. Und führt erneut vor ein geschlossenes Blech-Büro. Da ist selten jemand, meint ein junges Mädchen, das hier seit zweieinhalb Jahren mit seiner Familie in einem Wohnwagen lebt. „Ich hab' jetzt auch keine Zeit, ich muß zum Zahnarzt“, sagt sie. Und daß sie froh sei, zum Zahnarzt zu gehen. Weil sie dann eine Zeitlang ihren Bruder nicht sehen muß. Alle lebten so eng aufeinander, die Jugendlichen seien deshalb ständig beim Sport oder träfen sich irgendwo anders. Manche kommen tagelang nicht zurück.

Sie würde gern mehr erzählen, an einem anderen Tag vielleicht. „Aber meine Mutter erlaubt es nicht.“ Das Mädchen fragt die wenigen Erwachsenen auf dem Platz, die „einigermaßen Deutsch können“, ob sie mit der Presse sprechen wollen. Sie kommt zurück und sagt: „Es gibt keine Freiwilligen.“

„Hier braucht kein Bosnier in Angst und Schrecken zu leben, nach der Devise, wir schieben jetzt gnadenlos ab“, versicherte Innensenator Hartmuth Wrocklage in einem Gespräch mit der taz. Ihm schwebt ein Rückführungsabkommen „ähnlich wie bei Kroatien“ vor. Letztlich, ist der Senator überzeugt, „wollen und müssen sie ihr Land aufbauen“.

Das junge Mädchen rechnet damit, auch diesen Winter im Wohnwagen an der Kieler Straße zu verbringen. Wenn es dann richtig kalt ist, erzählt sie, muß sie Jacke und Stiefel anziehen nur für den Weg zum Klo. Die Leute vom Volkspark hingegen könnten sich Wohnungen suchen. „Die haben Befugnis-Visa – wenn Sie wissen, was das heißt.“