Zivilcourage statt Stilbruch

■ Gefordertes Antidiskriminierungsgesetz für Schwule und Lesben wird von Hamburger PolitikerInnen vehement abgelehnt Von Miguel-P. Schaar

Ein Antidiskriminierungsartikel für Lesben und Schwule in der Hamburger Verfassung - kein Interesse. Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Dorothee Stapelfeldt („Natürlich sind wir gegen jede Diskriminierung“) wehrt ab: „Langwierige Gesetzesänderungen bringen da nichts.“ Statt dessen setzt die SPDlerin „mehr auf Zivilcourage“.

Für den CDU-Politiker Heino Vahldieck wäre es gar ein „Stilbruch“, nur wegen einer diskriminierten Gruppe gleich die Verfassung zu ergänzen: Das Mitglied des bürgerschaftlichen Verfassungsausschusses verweist darauf, daß die hanseatische Verfassung keine Auflistung von Grundrechten kennt – das Grundgesetz findet entsprechend Anwendung.

Für Frank Münzinger vom „Aktionsbündnis Hummelsbüttel“ hingegen ist ein Antidiskriminierungs-Paragraph zwingend geboten, um „Ungleichbehandlungen aufgrund der sexuellen Identität in allen Lebensbereichen zu verhindern“. 500 DemoteilnehmerInnen, die am Samstag unter dem Motto „Hummelsbüttel ist überall“ durch den Villenstadtteil zum bezugsfertigen „Lebenshaus“ zogen, stimmten in diese Einschätzung mit ein. Doch was in Berlin und Brandenburg längst Praxis ist, dürfte in Hamburg keine Chance haben.

Auf dem Marsch gegen Intoleranz, zu dem der Zusammenschluß von Hummelsbütteler AnwohnerInnen, Schwusos, GAL, dem Schwulenverband Deutschland e.V. und Aids-Organisationen wie Hamburg Leuchtfeuer mobilisiert hatte, wurde mit einer Schweigeminute des gescheiterten Projektes gedacht. Vor dem polizeigeschützten Haus von Staatsanwalt Wolfgang Arnold skandierten die DemonstrantInnen ein lautes „Schämt euch!“. Arnold ist in die Kritik geraten, weil er mit Anwohner-Befürchtungen vor den homosexuellen Senioren an die Öffentlichkeit ging. Nun fühlt sich der Jurist, dessen Angstgebilde von wohlhabenden Schwulen, die Stricher und Drogen in die direkte Nachbarschaft ziehen würden, mittlerweile auch die Bürgerschaft beschäftigen, verkannt: „Ich habe nur Bedenken formuliert, und jetzt werde ich als der Rambo von Hummelsbüttel dargestellt.“

Die Diskussion über die AnwohnerInnenvorbehalte haben indes zu einer breiten Solidarisierung mit Hamburgs Schwulen und Lesben geführt. Nachdem NachbarInnen für das Projekt eine Unterschriftenaktion gestartet hatten, boten auch die evangelische Kirche, Prominente und ParteienvertreterInnen – erfolglos – ihre Vermittlungsdienste an.

Per Grußadressen an die Demonstrantion bedauerten Bischöfin Maria Jepsen, Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel, CDU-Fraktionschef Ole von Beust und Grünen-Fraktionssprecher Joschka Fischer unisono das Scheitern des Lebenshaus-Projektes. Die Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz aber wurde nur von der grünen Bundestagsfraktion erhoben. Ansonsten nichts als warme Worte.