Da ist der Wurm drin

■ Beim weihnachtlichen Backwerk dürfen Rosinen oder Sultaninen nicht fehlen – aber bitte ohne Fleischbeilage

Lothar Börs hebt den Kunststoffdeckel an und zieht die darunter befindliche Schutzfolie von der roten Pappdose ab. In der Hand hält er eine Packung Sun Maid kernlose kalifornische Rosinen. Darin krabbelt gerade eine quicklebendige weiße Made über die braunen Trockenbeeren. „Das könnte später einmal eine Dörrobstmotte werden“, sagt der Lebensmittelchemiker des Hamburger Handels- und Umweltschutzlaboratoriums Dr. Wiertz.

Das war eine der bösen Überraschungen des ÖKO-TESTs Rosinen. Fünf von 20 Produkten mußten wir wegen verschiedener Mängel beanstanden und abwerten: Neuform Sultaninen, ungeschwefelt; Neuform Weinbeeren, Californische Rosinen, ungeschwefelt; Sultaninen, ungeschwefelt (Märsch), Sun Maid kernlose kalifornische Rosinen, nicht geschwefelt, Bear Brand Sultanas, ungeschwefelt (Heinrich Brüning).

Lebende Maden in Rosinen sind zwar eklig, doch der Gesundheit schaden sie nicht. Damit wäre die Made eigentlich gegessen, wäre da nicht Sun Maid, der weltweit größte Abpacker von Rosinen, in dessen Produkt wir das Würmchen fanden. „Die Made kann weder beim Hersteller Sun Maid noch bei uns in die Rosinen gelangt sein“, ist sich Marketing-Bereichsleiter Christian Bauckholt vom Importhaus K.H. Wilms sicher. Sun Maid unternehme „alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen, um Schädlingsbefall zu verhindern“. So werden die Trockenfrüchte während der gesamten Lagerung und vor der Abpackung mit Phosphin behandelt. Dieses Giftgas dringt nicht in die Rosinen ein, hinterläßt keinerlei Rückstände und ist deshalb später auch nicht mehr nachweisbar. Die Made könne eigentlich nur im Kaufhaus in die Dose gekrochen sein, resümiert Bauckholt.

Lothar Börs vom Labor Wiertz weiß jedoch: „Die Sun-Maid-Dose ist die stabilste und sicherste Verpackung. Sie war unbeschädigt, der Bodenfalz lag eng an.“ Er vermutet, daß ein Insekten-Ei die Begasung in Kalifornien überlebt hat.

Auch in den Neuform Sultaninen fanden wir eine Fleischbeilage, wenn auch eine tote. Die Vereinigung deutscher Reformhäuser sieht das gelassen. „Die Richtlinien des Neuform-Lebenmittelsortiments verbieten grundsätzlich eine Konservierung durch chemisch-synthetische Mittel oder Begasung“, teilt sie lapidar mit. Die Bear Brand Sultanas vom Hamburger Importeur Heinrich Brüning, gekauft bei Spar, kamen zwar ohne tierische Zusatzstoffe daher, unangenehm aufgefallen sind sie dennoch: Das Labor Wiertz fand darin zwei Stücke einer Weinrebe sowie an den Beeren kleine harte Stengel, die man beim Kauen spürt. Zudem ermittelten sie eine geringe Menge Paraffin. Früher wurden Trockenbeeren mit diesem Erdölprodukt besprüht, damit sie nicht zusammenkleben. In Deutschland ist es heute verboten.

Rosinen, Sultaninen und Weinbeeren werden häufig mit schwefliger Säure oder Schwefeldioxid konserviert. Der Schwefel wirkt antibakteriell, erhält die helle Farbe oder bleicht die Früchte sogar. Empfindliche Menschen können selbst von geringen Schwefel-Rückständen Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Hautausschläge und manchmal sogar Asthmaanfälle bekommen.

Obwohl ÖKO-TEST nur als „ungeschwefelt“ deklarierte Produkte einkaufte, haben wir in den Bear Brand Sultanas 150 Milligramm pro Kilo schweflige Säure gefunden. Der Importeur Heinrich Brüning hat zugesichert, die betroffene Charge (3175 03/96) sofort vom Markt zurückzurufen. ÖTM