Tarzan mit viriler Halbglatze

■ Volker Lange ist designierter Vizepräsident des HSV. Der ehemalige Senator repräsentiert den politökonomischen Filz der deftigen Art Von Florian Marten

Haben Sie Interesse an Immobilien im Machtbereich des Bezirksamts Mitte? Brauchen Sie einen erfolgversprechenden Kontakt zum Bausenator, zum Oberbaudirektor oder in die Senatskanzlei? Trinken Sie gerne französischen Wein? Wollen Sie mit einer der vielen öffentlichen Hände in Hamburg gute Geschäfte machen? Hätten Sie gerne einen nützlichen Beschluß der Bezirksversammlung Mitte? Nun, wenn Sie mich fragen, liebe Leserin und lieber Leser – ich würde Ihnen in beinahe jedem Fall empfehlen, Ihr Glück zunächst beim Doppel-Ex-Senator Volker Lange zu versuchen.

Der leicht cholerische, bei öffentlichen Auftritten zwischen peinlicher Überforderung und Feldwebelgehabe schwankende Spitzensozi gehört zu jenem feinen und kleinen Kreis von Genossen, die ihre politische und wirtschaftliche Karriere nicht nur vernetzt und ganzheitlich betreiben, sondern auch äußerst erfolgreich.

Das heutige Erfolgsgeheimnis des gelernten Lehrers, der als Bau- und Wirtschaftssenator vor allem durch gereizte Unfähigkeit auffiel und immer zu den Kompetenzschwachstellen des Senats zählte, ist sein unternehmerischer Wagemut. Statt sich in die gemütliche Filzmatte zu jenen Politikern oder Politrentnern zu legen, welche die SPD mit Stellen im öffentlichen Dienst oder Geschäftsführerposten öffentlicher Unternehmen aushält, wollte Lange selbst am Webstuhl sitzen. Sein Motto: Lieber Filzproduzent als Filzpantoffelträger sein.

Als der heutige Unternehmensberater 1987 für den FDP-Mann Wilhelm Rahlfs das Wirtschaftsressort räumen mußte, schwang sich der blonde Tarzan mit der virilen Halbglatze schon bald behend von Liane zu Liane in der freien Wildnis des sumpfigen Biotops von Hamburg-Mitte, seiner politischen Heimat, in der sich der mittlerweile 51jährige noch besser auskennt als in seiner Brieftasche. Das Anbahnen von Deals, bei denen er dann ganz legal mitkassiert, wurde schnell seine große Leidenschaft. Besonderen Flair verleiht dem passionierten Tennisspieler („Joggen ist mir zu langweilig“) dabei seine frankophile Ader.

So brachte sich der Ex-Senator beispielsweise schnell mit ebenso exklusiven wie preisgünstigen Wein- und Champagner-Lieferungen bei Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführern in feuchtfröhliche Erinnerung. Sein erster und vielleicht wichtigster Coup war jedoch das große Ding mit den Bushäuschen: Ende der 80er Jahre brachte er die einst von ihm als Aufsichtsratschef regierte Hochbahn AG, die Bezirke und den Senat dazu, sich von einer französischen Marketingfirma jene zugigen Glasunterstände schenken zu lassen, die seither Hamburgs Fahrgäste quälen, während sie den hochlukrativen Anzeigenplatz mit Beleuchtung und wasserdichter Außenhaut schützen.

Ein noch größeres Ding mißlang kurz darauf: Lange wollte die durch einen hochnotpeinlichen Untersuchungsausschuß ins Schußfeuer geratene Hamburger Stadtreinigung an ein französisches Unternehmen verkauft sehen. Pikant: Lange selbst hatte als Ex-Bausenator erheblichen Anteil an der Mißwirtschaft beim städtischen Großentsorger gehabt. Doch Langes Vorstoß scheiterte trotz anfänglicher Unterstützung durch seinen Kumpel und Nachfolger Eugen Wagner am Widerstand der ÖTV und der Senatsmehrheit. Dem unternehmerischen Aufstieg Langes tat das jedoch keinen Abbruch. Kaum ein Immobiliengroßprojekt zwischen Millerntor, Fleetinsel, Deutsch-Japanischem Handelszentrum und Lindenstraße, bei welchem nicht an irgendeiner Stelle auch mal der Wirtschaftscon-sulter Lange rat- und tatkräftig mitmischt.

Über den wirtschaftlichen Umtrieben des Jungunterneh-mers darf sein großes Wirken als Politiker jedoch nicht in Vergessenheit geraten: Schließlich begann unter Bausenator Lange der tiefe Fall der Baubehörde, die den Mammutkoloß an der Stadthausbrücke zum Aushängeschild für Durchwursteln und planerische Inkompetenz werden ließ. Lange holte 1981 Oberbaudirektor Egbert Kossak, den er als jobbenden Kumpel vom Bau kannte. Als Wirtschaftssenator half er 1982 Henning Voscherau und Gerd Weiland, den Großdeal mit den Hamburger Stahlwerken über die Bühne zu bringen. Rücksichtslos setzte er sich für immer größeren Verbrauch von Flächen für Gewerbe ein: Ob Ikea im Wasserschutzgebiet, Gewerbeflachsinn in Allermöhe – jeder neue Hektar galt ihm als Trophäe.

Mit peinlicher Geste entschuldigte sich der rechtskonservative Politiker 1986 bei der Versicherungswirtschaft für eine kritische Kampagne der Verbraucherzentrale. Obwohl Lange, von der Neuen Heimat mit einem sehr preiswerten Eigenheim versehen, sich also alle Mühe gab, seinen vielfältigen Pflichten vollauf gerecht zu werden, scheiterte die Fortsetzung seiner politischen Karriere schließlich an offenkundiger Unfähigkeit: Ob sich Lange öffentlich in TV-Diskussionen mit der grünen Oppositionspolitikerin Thea Bock blamierte, im Senat durch Unkenntnis auffiel oder seine Behörden verlottern ließ – selbst seine gewiß nicht leuchtenden Nachfolger Rahlfs und Krupp sorgten im Wirtschaftsministerium am Steindamm für erleichtertes Aufatmen.

Seither wirkt der zweifache Familienvater in seinem ureigensten Element – im Nahkampf hinter den Kulissen, als Fädenzieher, der als polit-ökonomischer Grenzgänger alte preußische Militärtugenden praktiziert: „Getrennt marschieren, vereint zuschlagen.“ Diese Fähigkeiten wird Uwe Seelers „langjähriger Freund“ (Lange) auch in der ältlichen Männergesellschaft des HSV – „ich bin schon über 40 Jahre HSV-Fan“, aber erst seit dem 1. August 1995 Mitglied – sicherlich weidlich einsetzen dürfen. Wenn die HSV-Kicker eines Tages mit „Chirac, je t'aime“-Tricots auflaufen oder für die französische Müllabfuhr werben – wundern würde es uns nicht.