Die Liebe schaut anders

■ Thalia: Carlo Gozzis Lustspiel für Kinder „König Hirsch“

Laut dröhnt das Gelächter der Zauberstatue in den Zuschauerraum. Wieder einmal wird König Deramo damit signalisiert, daß eine der Frauen, die um das Amt der Königin buhlt, ihm nicht die Wahrheit gesagt hat und ihm nur Liebe vorgaukelt. Die Kinder wissen schnell Bescheid und ahmen das hämische Lachen nach, bevor das entlarvende Gelächter ansetzt.

Natürlich kommt noch die Richtige, woraufhin die Statue verstummt und der junge Zuschauer nach all den Intrigen und Zaubereien am Schluß die Botschaft mit auf den Heimweg nimmt: Die Liebe sieht eben mit besonderen Augen. Doch vorher hat der edle König die Rechnung ohne seinen perfiden Minister Tartaglia gemacht. Dieser nutzt den Zauber, mit dem jeder aus der eigenen Gestalt in die eines toten Tieres oder Menschen schlüpfen kann, kaltblütig aus. So bemächtigt er sich des Königs Körper, während Deramo im Körper eines Hirschen feststeckt, der – es ist Jagdsaison – zum Abschuß frei gegeben ist.

Ein munteres Spiel mit vertauschten Masken und magischen Verwandlungen setzt ein, das die Kinder aber nicht wie in Hollywood-Manier einlullt. Es pufft und kracht nur selten, vielmehr wenden sich die Schauspieler direkt an das Publikum und bahnen sich ihren beschwerlichen Weg durch den Wald der Sitzreihen. Auch das Bühnenbild von Alexander Herrmann, nur mit wenigen überdimensionalen Bauklötzen bestückt, besticht durch Schlichtheit. Allein die liebevollen Kostüme unterstützen – wie es sich für Kindertheater gehört – die einfach skizzierten Charaktere, wobei man der Umsetzung doch etwas mehr Mut zur schrägen Exaltiertheit gewünscht hätte. So setzten vor allem der gespenstisch gestikulierende Tartaglia (Tarek Youzbachi), der versnobte englische Gentleman Leonardo „Jetzt komme ich, ich jetzt“ (Thorsten Hamman) und der Diener Truffoldino (Tobias Rott) Akzente – sicherlich mit den dankbareren Rollen gesegnet.

Vielleicht ist es ein gewagtes Unterfangen des 34jährigen Regiedebütanten Martin Kreidt eine Märchenkomödie aus der italienischen Tradition des Commedia dell'arte des 18. Jahrhunderts heute Kindern vorzusetzen. Doch der Versuch ist geglückt, wenn auch das Schwert Tartaglias bei dem kleinen Jungen neben mir auf Mißfallen stieß: „Üähh, ist ja nur aus Plastik.“ Kai Mierow