Lügen für Mölln

■ Überlebender muß sich mit brauner Hetze und Verlogenheit herumschlagen

Pünktlich zum dritten Jahrestag der Möllner Morde sind in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Hetzflugblätter der Neonazi-Organisation „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) aufgetaucht, in denen die Opfer und die Überlebenden des Brandanschlages vom 23. November 1992 verunglimpft werden.

Betitelt mit „Wahrheit für Mölln“ behauptet die NPD, daß der Brandanschlag, bei dem drei türkische Frauen und Mädchen starben, nicht rassistisch motiviert gewesen sei, sondern gegen Faruk Arslan, den überlebenden Familienvater, gerichtet gewesen sei. Schließlich sei dieser eine in „Drogen- und Menschenhandel“ aktive „Größe aus der Unterwelt“.

Als verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes wird ein Postfach in Itzehoe angegeben; auf Anschreiben von Faruk Arslans Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele hat noch niemand reagiert. In hunderten von Briefkästen sind die Zettel gelandet, nur bei der Möllner Stadtverwaltung weiß man nichts davon. Faruk Arslan, der sich dorthin um Unterstützung wandte, wurde mit Schulterzucken abgewiesen.

Er berichtet, daß seit dem Erscheinen der NPD-Flugblätter sowohl bei ihm wie auch bei anderen TürkInnen der Stadt wieder vermehrt anonyme Droh- und Schmähanrufe eingehen. Zweimal seien schon die Bremsleitungen seines Autos durchtrennt worden. Zu Beginn, erzählt er, sei er noch regelmäßig zur Polizei gegangen, aber inzwischen erspare er sich das: „Es hat überhaupt keinen Sinn, die merken gar nichts.“

Seit einem Jahr bedrängt ihn das Sozialamt, sich für „gemeinnützige Arbeiten der Stadt“ zur Verfügung zu stellen und droht ihm, sonst die Sozialhilfe zu kürzen. Das Angebot der Stadt, an seinem Haus eine Gedenktafel anzubringen, hat er abgelehnt: Seitdem der Vorschlag der Grünen, eine Straße nach Faruk Arslans Mutter Bahide zu benennen, abgelehnt wurde, will er den Stadtvätern und -müttern keine Gelegenheit mehr bieten, „ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen.“ Kemal Dogan / Ulrike Winkelmann