Goa, Gigs, Gesichter ...

■ Der Offene Kanal in Oldenburg feiert sein dreijähriges Sendejubiläum / Laut Emnid-Umfrage haben 90.000 Hörer in den vergangenen zwei Wochen reingeschaltet

Noch zwei Minuten bis zur Sendung. Markus Hiller alias UK Magic sitzt im Studio, flachst rum, dreht an den Reglern. Von Nervosität keine Spur. „Anfangs bin ich noch unter den Tisch gerutscht vor Schiss, habe ganz leise gesprochen. Inzwischen ist das so ein Routineding geworden.“

Alle zwei Wochen moderiert der 29-Jährige die Musiksendung Brain Ticket auf dem Offenen Kanal (OK) in Oldenburg. Stilrichtung Goa. Seit 15 Jahren macht er selber Musik und organisiert außerdem Goa-Parties. Als der OK gegründet wurde, war er sofort dabei. Er wollte die Möglichkeit nutzen, „mich selbst zu pushen, aber auch, der sonst eher vernachlässigten Goa-Musik ein Forum zu verschaffen“. Die Arbeit im OK macht ihm sichtlich Spaß. Und er hat viel dabei gelernt. „Ich habe gemerkt, daß ich daran gewachsen bin, kann mich viel besser ausdrücken, habe keine Hemmungen mehr, ins Mikrofon zu sprechen.“

Heute feiert der Offene Kanal mit einem „Tag der offenen Studiotür“ sein dreijähriges Jubiläum. Seit 1996 ist er auf Sendung. Rund 1.700 Menschen haben seitdem die technischen Einrichtungen und die medienpädagogische Unterstützung in Anspruch genommen. Sie produzieren jede Woche 40 Stunden Radio- und sechs Stunden Fernsehprogramm. Mitmachen kann, nach einer Einführung in die Technik, jeder, der eine Idee hat.

Entsprechend breit ist das Spektrum. Da produzieren Jugendliche einen Dokumentarfilm über die NS-Zeit im Ammerland oder die Zehn- bis Zwölfjährigen von der Mädchengruppe „Bärenstark“ berichten live von der Kinderbuchmesse. Der Jazzclub Alluvium präsentiert sich mit Konzertmitschnitten, es gibt ein Magazin zu christlichen und eins zu schwulen Themen, ein Umwelt- und ein MigrantInnenradio und eine politische Sendung über den Iran. „Es ist nicht eine bestimmte Szene, sondern der gesellschaftliche Durchschnitt, der hier produziert“, sagt die OK-Verantwortliche Dörthe Bührmann. „Wir wollen Menschen, deren Anliegen bei den großen Medienanstalten eher nicht vorkommen, die Möglichkeit bieten, aktiv ihr Programm zu machen.“

Auch als Kommunikationsfo-rum dieser unterschiedlichen Gruppen verstehe sich der OK. „Da sitzen dann Leute aus der Punkerszene mit dem Team vom Seniorenradio im Foyer und da ergeben sich Gespräche über die Sendung; die würden sich auf der Straße wohl nicht so freundlich begegnen.“

Einige Sendungen, sagt Dörthe Bührmann, seien bereits Kult. Die monatliche Schlagersendung mit Nachwuchs-InterpretInnen aus der Region möchten viele nicht mehr missen, weiß sie aufgrund der Fanpost. Die Älteren, weil sie die Musik mögen, die Jüngeren, weil man sich so schön lustig machen kann.

Auf jeden Fall Kultstatus hat „Das Gesicht“ Gerhard Severin. 111 Mal setzte sich der glatzköpfige Künstler und Bioenergetiker vor die Kamera und zeigte nur das – sein Gesicht. Mit langsam wechselnder Mimik, 15 Minuten lang, ohne Ton. Schwer zu ertragen für manchen. „Da hat es auch schon Beschimpfungen gegeben“, sagt Dörthe Bührmann. So habe ein Zuschauer auf seinen Fernseher eingeschlagen, weil kein Ton kam.

Wird nicht gesendet, läuft ein Rahmenprogramm. Nachrichten, Kommentare oder Musik vom automatischen CD-Wechsler. Und die unterscheidet sich wohltuend vom üblichen „Superhits aus den Siebzigern, Achtzigern ... blablabla“, mit dem sonst Hörerohren beleidigt werden. Viel Ungewöhnliches, auch mal Schräges, viele regionale Bands. „Wir bekommen viele Demotapes, die wir im Vorfeld von Konzerten spielen. Wenn wir schon eine eigene Frequenz haben, wollen wir die auch nutzen und unbekannte Bands fördern“, so Wichert Klugkist, der die Musik auswählt.

Das Konzept scheint anzukommen. Eine Emnid-Umfrage hat jetzt festgestellt, dass rund 90.000 Menschen in den letzten zwei Wochen den OK eingeschaltet haben. Für die Zukunft wünscht sich Dörthe Bührmann eine feste Redaktion, damit eine verbindliche regionale Berichterstattung möglich wird. „Denn das ist mit dem offenen Zugang doch schlecht hinzukriegen.“

Und es ist eine Frage der weiteren Finanzierung. Zur Zeit kommen 90 Prozent der Mittel aus Rundfunkgebühren. Den Rest – 80.000 Mark – muss der Trägerverein aufbringen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Von der Stadt Oldenburg gibt es keine finanzielle Unterstützung. Wie es weitergeht, wird sich 2002 zeigen. Dann läuft die Lizenz aus und der Modellversuch Offener Kanal wird auf politischer Ebene neu verhandelt.

Kristin Hunfeld

Beim „Tag der offenen Studiotür“ kann man heute Nachmittag in der Bahnhofstraße 11 in Oldenburg den Programm-Machern über die Schulter sehen. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen sowie Talk-runden mit Vertretern der wichtigsten lokalen Medien. Ab 21 Uhr sendet das OK-Fernsehen in einem 24-Stunden-Marathon die High-lights aus drei Jahren und im Radio läuft bis 3 Uhr morgens „Roots, Rock und Reggae“. Frequenzen: TV (Kabel) Sonderkanal 5, Radio UKW 106,5 oder Kabel 92,75.