Voll Köln das

■ Mitte ist prima, Mitte ist 'ne Wucht? Nicht wirklich, tritt doch die Generation Club in Berlins Neuer Mitte auf der Stelle. Eine Polemik

In vielen Szenemagazinen ging es zuletzt zu wie bei den Handwerkern: Es wurde geklappert, was die Seiten hergaben, und prächtig über das Ende der Ausgehmitte gejammert. Doch belegen die jüngsten Neueröffnungen – von denen die Lore in der Neuen Schönhauser Straße die wohl eleganteste und perfekteste ist –, dass mit der Schließung der illegalen Clubs das Leben noch lange nicht aus den Rumpelbuden gewichen ist. Im Gegenteil, es gibt immer noch mehr Leben. So wird es also vorerst nichts mit der so oft angekündigten Ablösung Mittes durch Friedrichshain – Klein Studi muss noch länger davon träumen, dass seine Wohnung in der Rigaer Straße mal ultrahip wird.

Allerdings: Die kopfstärkeren Berliner beginnen langsam, Mitte zu meiden. Man kennt ja dieses Gefühl, das einen hier beschleicht: Die arbeiten alle hier. Was weniger meint, dass die ganze Ausgehgesellschaft sich in den umliegenden Agenturen ihre Brötchen verdient. Das muss wohl so.

Schlimmer ist, dass es heute auf vielen Partys nur mehr darum geht, alteingesessenen Langweilerstädten wie Hamburg oder Köln den Rang streitig zu machen im supercoolen Dummrumstehen. Die Musik ist mittelmäßig, aber ohne Abitur nicht wirklich zu begreifen, und die Leute sind genauso mittelmäßig, aber selbst ohne Abitur nicht zu ertragen. Voll Köln das, und natürlich sind dann die Drinks genauso Scheiße wie DJ Bumbum und MC Haudrauf. Man hat sich eingemottet in eine Form der Anzug- und Cocktailkleidträgerei, die keinen Dreck mehr zulässt – es sei denn, er ist Dekor. Entsprechend steif wird Spaß gehabt, aus Rücksicht auf die Fassade.

Diesen Backlash in Sachen Beschwingtheit jedoch allein der Zurückdrängung des Illegalen anzulasten wäre ein Denkfehler. Denn auch das Eröffnen einer legalen Tanzveranstaltungshalle ist ein Risiko, und so findet man hier auf den gefühlten Ebenen durchaus eine Entsprechung zu den illegalen Bars wieder: „Es ist nicht klar, ob wir hier je wieder zusammenkommen, das liegt ganz in der Hand des Hauptstadtkapitals.“ Und siehe da: Kaum hat man sich auf den Weg gemacht, ist das Etablissement schon wieder geschlossen. Vielleicht fehlt den neuen Läden lediglich die kleine Prise Klandestinität (Schrillizität, Herr Sundermeier?? d. Red.), deren man sich allerdings zuletzt auch in manch verruchter Wumperbude nicht mehr sicher sein konnte: Nix da mit bösem Baustadtrat!

Doch es scheint, als liege das merkwürdige Auf-der-Stelle-Treten der Generation Club in Berlins Neuer Mitte daran, dass viele sich bereits in eigenen Netzwerken und Abhängigkeiten eingerichtet haben und jetzt ihre Pfründen gegen neue Ideen verteidigen.

Verfolgt man beispielsweise die Kolumne der geschätzten Freundin Marcella in der 030, merkt man, dass es abseits vom ewig Gleichen über die ewig Gleichen nichts mehr zu berichten gibt. Der Gossip kann sich endlich auf die Personen konzentrieren, da es ihm an Ereignissen mangelt.

Berlin ist dabei, eine ganz normale deutsche Großstadt zu werden. Wo sich die üblichen Spießer interessante Leute als Clowns auf ihre Party holen und sonst niemand mehr in ihre Zirkel hineinlassen. Ganz normal das.

Jörg Sundermeier