... und dennoch wächst Hoffnung“

■ Theodor Blieshaimer zum 70.: Ein Interview mit Jürgen W. Möllemann (FDP)

Zur Erinnerung: Zum Durchbruch verhalfen dem Popper-Schüler Theodor Blieshaimer vor zehn Jahren die „Wege aus dem Nichts“. In den Händen des damaligen Bundesbildungsministers Jürgen W. Möllemann (FDP) gehörte das 300-seitige Vademecum schon bald zu den gefragtesten Titeln des Bonner Politikbetriebes, und weder Bundesregierung noch Opposition wollten zugeben, Theodor Blieshaimer nicht zu kennen. Schon damals allerdings kursierten Gerüchte, Bliesheimer sei nichts weiter als die Kopfgeburt eines Ministers nach dem Genuss von 25 Gläsern Pils in der Münsteraner Düesberg-Klause und hinter dem Einband verberge sich nichts weiter als das Vorlesungsverzeichnis der Uni Münster ...

Andererseits setzte sich sogar die kritische Presse von „Spiegel“ bis „Quick“, ja sogar „FAZ“ und die „Stuttgarter Zeitung“ mit Theodor Blieshaimer auseinander.

Vorgestern nun feierte der publikumsscheue Philosoph in seinem westfälischen Geburtsort Schapdetten seinen 70. Geburtstag. Jürgen W. Möllemann indes gilt auch heute noch als einer der wenigen Vertrauten Blieshaimers.

Und die taz sprach mit ihm. Über Blieshaimer, Thomas von Aquin, Tuten und Blasen – und Blieshaimers jüngstes Buch, das in diesen Tagen erscheinen wird.

taz: Herr Möllemann, wenn es einen Menschen gegeben hat, der Sie in Ihrem politischen Handeln geleitet hat, ist es der deutsche Kulturphilosoph Theodor Blieshaimer. In den letzten Jahren ist es merkwürdig still geworden um einen Mann, der als „policy maker“ im klassischen Sinne immer im Mittelpunkt des wissenschaftlichen und gesellschaftlich-politischen Lebens gestanden hat. Was hat Blieshaimer getan nach den „Wegen aus dem Nichts“?

Jürgen W. Möllemann: Er hat sein opulentes Werk „Heute hier – morgen gestern“ in einigen Sabbatjahren auf Honolulu vollendet und dabei die Verbindung von Ontologie, Onkologie und Ornithologie perfektioniert. Ich darf heute mit Fug und Recht sagen, er ist jener Homo politicus, der am meisten von Vögeln versteht.

Viele deuten seine publizistische Zurückhaltung als eine Abrechnung mit Oskar Lafontaine und Helmut Kohl gleichermaßen. Der Universitätsgärtner Wittgenstein postulierte einmal: Worüber man nicht reden kann, soll man schweigen. Heißt von Blieshaimer lernen siegen lernen?

Ich vermute eher, dass Blieshaimers Lebensgefährtin, die Wahl-Schapdettenerin Eleonore Blieshaimer-Sack, ihm die treffliche Erkenntnis vermittelt hat: Wer vom Tuten und Blasen nichts versteht, soll es lassen.

Mit Spannung erwartet wird Blieshaimers neues Buch „Das Herz schlägt flink“. Es soll ja die wahren gesellschaftlichen Werte des wiedervereinigten Deutschland beim Namen nennen – quasi eine Fortsetzung der „Iterae ex nihilo“. Sie sind einer der wenigen Vertrauten Blieshaimers, die das Buch bereits haben lesen dürfen. Was steht drin?

Natürlich geht es zu allererst um die Befindlichkeit, sodann um das Große und Ganze, soweit es sich im Kleinen manifestiert. Tagein tagaus begegnen wir ihm nicht ohne Erschütterung, und dennoch wächst Hoffnung.

Bedeutet die Veröffentlichung eines solchen Buches nicht das Ende der (Literatur-)Geschichte?

Das wäre dann doch zu kühn. Vielmehr hat schon Thomas von Aquin erahnt und uns dennoch verschwiegen, dass – bildlich gesprochen – Blieshaimers Tautologien über uns schweben wie das Ei des Damokles.

Theodor Blieshaimer ist nicht nur Kulturphilosoph, er erweist sich immer wieder als ein vielseitig veranlagter Künstler, dem die schönen Künste nicht fremd sind. Wie passt es da ins Bild, dass er in der neuen Werbestaffel einer großen deutschen Versicherung als Herr Kaiser über die Mattscheiben flimmert? Wird sich Blieshaimer damit selbst untreu?

Treue. Untreue. Welch profane Kategorien angesichts solchen Genies! Frei wie ein Vogel (ich sagte doch: vogelfrei) schwingt er sich in jene zarenhaften Dimensionen auf, die schon Katharina die Große rufen ließen: „Ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd!“

Blieshaimer soll ja im vergangen Jahr den ehemaligen US-Präsidenten George Bush bei seinem Jubiläumsfallschirmsprung begleitet haben – ist das Ihrem Einfluss zuzuschreiben?

Dass Sie auf unsere Kongenialität hinweisen, ist mir ein wenig peinlich. Verstehen Sie also bitte, dass ich auch zu dieser Frage nichts sagen kann. Allerdings ist die Vermutung nicht unbegründet, dass ich zur Kompensation den Heiligen Vater gebeten habe, beim nächsten Mal seinen Segen Urbi et Gorbi zu spenden.

Vorgestern wurde Blieshaimer 70. Was haben Sie Ihrem Mentor zum Geburtstag geschenkt?

Ich widme ihm dieses brillante Interview.

Interview: Stefan Bitterle