Dem Medienkanzler frech aufs Maul geschaut

■  Einen Riesenspaß für die ganze Familie verspricht diese Unterhaltungsshow vom Feinsten: Am Sonntag startet die neue Sitcom „Wie war ich, Doris?“. Gespräch mit Autor und Produzent Rüdiger Jung, dem Mann, der den Kanzler auf die Schippe nimmt (RTL, 22.10 Uhr)

taz: Schon im Vorfeld gab es viel Wirbel um Ihre Sitcom „Wie war ich, Doris?“. Unser Bundeskanzler Gerhard Schröder drohte gar mit dem Abbruch seiner Beziehungen zu RTL. Ist da die Erwartungshaltung bei den Zuschauern nicht sehr hoch?

Rüdiger Jung: Sicher ist die Erwartungshaltung sehr hoch, weil es so einen Wirbel gegeben hat. Mir persönlich war das gar nicht so recht. Der große Wirbel war ja im August. Von mir aus hätte das nicht bekannt werden müssen, dass wir an dieser Serie dran sind. Das ist irgendwie durchgesickert, dann lief das in der Presse.

Ah ja.

Und dann hat sich Gerhard Schröder aus dem Urlaub gemeldet – der kannte nur den Titel, der wusste gar nicht, was wir da machen. Aber er hat gesagt, er gibt RTL keine Interviews mehr, wenn das Projekt nicht gestoppt wird. Da war die Aufregung so groß. Aber ich weiß gar nicht, ob der normale Fernsehzuschauer das noch registriert, wie das im Sommer war und jetzt deshalb besonders viele Leute einschalten. Ich bin gespannt, ob die Zuschauer das wirklich wissen, dass das am Sonntag wirklich läuft. Je mehr darüber im Vorfeld geschrieben wird, desto besser ist das natürlich.

Stimmt. Aber die Fallhöhe ist jetzt natürlich recht hoch.

Ja, denke ich mal, weil die Erwartung besonders hoch ist. Wahrscheinlich werden sich vor allem viele Medienvertreter die Sendung ansehen.

Was erwartet uns denn lustiges? Ihr Hauptdarsteller Martin Zuhr, der den Kanzler gibt, hat gesagt, es sei ein harmloser Spaß.

Harmlos in Bezug auf die Aufregung. Die Aufregung war ja „Stopp, Leute, lasst mein Privatleben da außen vor“, beziehungsweise „Wenn das ins Privatleben hineingeht, dann ist die Grenze überschritten“.

Der Titel ist ja auch eine eindeutig sexuelle Anspielung.

Nein.

Nein?

Nein, wirklich nicht. Absolut nicht. So war das auch von mir nie gemeint.

Ach so.

Dass sich das auf ein Schlafzimmer bezieht, so habe ich das wirklich nicht gemeint. Der Titel ist hintersinnig, finde ich.

Ich finde den Titel gut.

Ich finde den Titel auch gut. Schließlich dreht sich diese Serie um den mächtigsten Mann der Republik. Und es offenbart ein bisschen den Charakter, den wir da vermuten, wenn er sich vergewissert – „Wie war ich?“ – wenn er etwas gemacht hat, wenn er eine Pressekonferenz gegeben hat. Das ist für mich wichtig gewesen, deshalb ist der Titel hintersinnig. Nicht aufs Bett gedacht – darum geht es ja auch gar nicht in der Serie. Das hat mich auch ein bisschen gewundert, dass das damit assoziiert wird. Das hat mich schon ein bisschen erstaunt.

Wundern Sie sich wirklich über solche Spekulationen? Sie haben ja ein großes Geheimnis um den Inhalt gemacht.

Was heißt schon „Geheimnis“? Mir ist das ganz recht, dass wir keine Vorabkassetten verschickt haben. Sie haben natürlich Recht: Jetzt wird die Latte besonders hoch gehängt. Ich glaube nicht, dass die Medien in Deutschland, gerade die Zeitungen, die sich mit Fernsehen befassen, immer absolut wohlgesinnt sind und Sachen auch fair behandeln. Im Sommer war die große Aufregung, weil der Kanzler sich – warum auch immer – so geäußert hat. Es ist ja nicht die Serie, da konnte er gar nichts drüber wissen. Ich persönlich vermute da einen anderen Grund dahinter. Er ist ja vorher – und darauf beruht ja auch die Idee der Serie – von der Presse wegen gewisser Sachen als „Medienkanzler“ abgestempelt worden. Da war er sicher auch falsch beraten in den ersten Monaten seiner Amtszeit. Und ich denke, jetzt ist irgendwie versucht worden, mal eine Gelegenheit zu finden, um zu sagen „So bin ich ja gar nicht, das will ich nicht“. Das kam gerade recht. Danach ist aber folgendes passiert: Da haben andere mitbekommen, oh, mit dem Kanzler, so viel Wirbel, da machen wir auch was. So ist ja diese Gummipuppen-Geschichte in die erste Naddel-Sendung, Peep!, hereingerutscht. Dann wird das alles in einen Wolf gedreht. Ich habe das gar nicht gesehen, ich fand's auch nicht lustig, diese Gummipuppenarie. Die war ja schon auf dem Markt und auch schon gar nicht mehr so neu. Das hat dann nur gezeigt, wie damit umgegangen wird. Das haben vielleicht 1,5 Millionen Leute gesehen und hätten das wahrscheinlich sofort wieder vergessen. Da kann man sagen, das ist schlechter Geschmack. Ich finde es auch angemessen, wenn Schröder da sagt, das gefällt mir nicht. Aber daraus hat die Bild-Zeitung Schlagzeilen über die ganze Woche gemacht, „Pfui-TV“, und hat darauf herumgeritten. Aber so ist das erst richtig bekannt geworden. Und dann ist in den Texten öfter mal die „2“ von RTL2 vergessen worden, da stand dann nur RTL. Das ist alles in eine Soße gepanscht worden. Vor so einem Hintergrund habe ich persönlich keine Lust, irgendwelche Vorab-Kassetten zu verschicken. Das war aber letztlich eine Entscheidung des Senders. Wenn jetzt so eine Aufregung ist, dann soll der Zuschauer erst mal entscheiden, und hinterher wird das sowieso kritisiert. Ist ja die ganze Woche Zeit bis zur nächsten Folge.

Lassen Sie uns trotzdem noch etwas über den Inhalt reden. Im RTL-Pressetext steht, Sie wollen zeigen, was hinter den Kulissen der Berliner Republik „wirklich“ passiert ...

... in Anführungszeichen ...

... in Anführungszeichen, ja.

Es kommen politische Themen vor. Wir können da nicht wochenaktuell oder tagesaktuell sein, alleine schon wegen der Produktionszeiten, die man beim Fernsehen hat. Aber es kommen im Hintergrund die großen Themen vor, die viele Menschen sicherlich bewegen: Sparpaket, Rentenanpassung, 630-Mark-Jobs. Das sind so die größeren politischen Themen. Und dann wird eine Geschichte erzählt. Das Genre ist das Genre der Sitcom: in einer halben Stunde wird eine Geschichte erzählt.

So ist das also.

Am Anfang ist eine Grundsituation, und irgend etwas bringt die ins Unlot, und dann passieren Dinge. Viele Sachen sind im Ungleichgewicht, und hinterher gibt es eine Auflösung. So funktioniert jede Folge von „Wie war ich, Doris?“, theoretisch gesagt. Es ist keine Aneinanderreihung von Sketchen. Ich hoffe, dass der Humor auch funktioniert, dass das rüberkommt. In der ersten Folge geht es um eine Imagekampagne für den Kanzler. Diese Imagekampagne war ja noch das große Thema in der Bunten in der vorletzten Ausgabe. Und geschrieben habe ich das Ganze im Juli. Das zeigt mir, dass ich da noch relativ aktuell bin.

Geradezu prophetisch.

Wir karikieren die mächtigsten Menschen der Republik, und das machen wir, indem wir sie auf kleine Beispiele herunterholen, sie klein machen und normal machen. In der ersten Folge macht Schröder eine Trimm-Dich-Aktion auf einem Fitness-Fahrrad im Internet, das soll der Koalition einen jugendlichen Anstrich geben. Es heißt, wir müssen was tun, und er weiß von dieser ganzen Aktion nicht. Und da gibt es dann Verwicklungen rund um diese Aktion. Schröder strampelt dann nicht selber, sondern lässt sich doubeln ...

Köstlich! Können Sie noch mehr preisgeben?

In der Folge zwei, die heißt „Die Praktikantin“, und da ist halt eine Praktikantin im Kanzleramt. Und allein, weil eine Praktikantin da ist und weil da diese Schrekkensvermutung ist, „O Gott, meine Umfragewerte sind sowieso schon so schlecht, und jetzt ist auch noch die Praktikatin da ...“ Und dann wird diese Praktikantin in allen Ministerien herumgeschubst und geht ans Telefon, wo sie nicht drangehen sollte ...

Bitte aufhören ... zu komisch ... Spielen denn auch die persönlichen Kabbeleien zwischen Schröder und Trittin eine Rolle?

Die kommen auch vor. Wir haben natürlich die Möglichkeit, uns auszudenken, was passiert, wenn die hinter den Kulissen agieren, wenn die ein Vier-Augen-Gespräch haben, wie auch immer. Sonst kennt man die Politiker ja nur aus öffentlichen Auftritten. Die Grundidee ist sozusagen, dass man die mächtigen Menschen auch als normale Menschen zeigt.

Gut, dass Sie das noch mal gesagt haben. Trotzdem die leise Nachfrage: nachdem in letzter Zeit die persönlichen Verwicklungen des amerikanischen Präsidenten öffentlich geworden sind und auch die Beziehungskiste Gerhard Schröders allen bestens bekannt ist – macht solche Realsatire nicht eine Satire sozusagen überflüssig?

Das ist eine gute Frage.

Danke.

Nun ja, das ist eben der Stoff, mit dem ich mich beschäftige. So in der Form gab es das noch nicht, und es ist neu. Was gab es in Deutschland an fernsehgerechter Politsatire – so viel ist das nicht, denke ich. Und der Stoff ist ja da. Einerseits haben Sie schon Recht, wenn Sie sagen, dass da viel Realsatire stattfindet. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass mich gerade das auf die Idee gebracht hat, dass da so viel vor und hinter den Kameras passiert ist in den ersten Monaten von Schröders Amtszeit. Wenn wir ein langweiliges Kabinett hätten, das nur seine Arbeit macht, das Land aus der Arbeitslosigkeit führt und dringend notwendige Reformen umsetzt, dann wäre ich wohl nicht auf die Idee gekommen.

Klasse. Vielen Dank für dieses hochinteressante Gespräch.

Interview: Stefan Kuzmany

Rüdiger Jung studierte Meeresbiologie und Journalismus, bevor er sich den „komischen Seiten“ des Lebens widmete.