Doch sie glauben ihrem Kanzler nicht

■ Heute Köln, morgen Berlin: Vor dem SPD-Parteitag besucht Gerhard Schröder die Basis und versucht, gute Stimmung zu machen

Berlin (taz) – „Regieren macht Spaß“ hatte der Kanzler einige Wochen nach seiner Regierungsübernahme fröhlich verkündet. In drei Wochen steht der Berliner Parteitag an, doch mit dem Vergnügen im Kanzleramt ist es nicht mehr weit her. Die SPD leidet, seit Lafontaine mit viel Getöse die Gefolgschaft gekündigt hat. Was Schröder nach gut einem Jahr rot-grüner Koalition bleibt, ist pure Knochenarbeit. In drei Wochen in Berlin geht es für die Parteispitze darum, die Basis von einem Neuanfang zu überzeugen, und für den neuen Vorsitzenden darum, das Vertrauen der Delegierten zu gewinnen.

Sonst wird es schwierig für die SPD. Dann bleibt bei den Delegierten der Eindruck haften, den Schlingerkurs einer Regierung vertreten zu müssen, die selbst nicht weiß, was sie will. Ohnehin fürchten viele Genossen, sie könnten von einem Vorsitzenden im Stich gelassen werden, der die Partei nur als Steigbügel für die eigene Macht benutzt. So lassen sich im Frühjahr weder in Schleswig-Holstein noch in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen gewinnen.

Deswegen tourte Schröder nach einem Konzept seines designierten Generalsekretärs Franz Müntefering am Wochenende von Regionalkongress zu Regionalkongress. Am Samstag in Köln, am Sonntag in Berlin.

Verkniffen sitzt Schröder in Köln den Mandatsträgern aus Kreisen und Gemeinden gegenüber. Sein Gesicht ist eine einzige Furche. Er verteidigt die Politik seiner Regierung, als müsse er linke Gewerkschafter von Arbeitgeberinteressen überzeugen. In Köln war der Vorwurf, er sei „der Genosse der Bosse“ nach wie vor das beherrschende Thema. Viele Redner warfen dem ehemaligen Juso-Vorsitzenden Schröder vor, eine zu unternehmerfreundliche Politik zu fahren.

„Es muss deutlich werden, dass du in erster Linie der Kanzler der Mehrheit der Bürger bist und nicht der Kanzler von irgendetwas anderem“, stichelte eine ältere SPD-Frau. Schröder reagiert prompt: „Habt ihr die alten Erfahrungen vergessen. Wenn es der Wirtschaft gut geht, haben wir die besten Möglichkeiten, auch für uns was zu kriegen.“ Ein „ordentlicher Kontakt“ zur Wirtschaft sei auch für einen sozialdemokratischen Kanzler „keine Schande“.

Schröder bemüht sich um Vertrauen. Kämpferisch erinnert er an die Erfolge im ersten Regierungsjahr, spricht von „denen da oben“, die unter der Kohl-Regierung „ihre Steuern auf null“ gebracht hätten. Und dass man nun sparen muss, um bald wieder politisch gestalten zu können. Aber so richtig kommt er in Köln nicht an.

Immerhin stehen dort 8.000 Bergleute vor der Tür, die der SPD schon neues Ungemach ankünden. Sie fürchten, die jüngst beschlossene Steuerbefreiung für hochwirksame Gaskraftwerke könnte sie um ihre Arbeitsplätze bringen. Da kann Schröder noch so oft versichern, man wolle nicht auf Braun- und Steinkohle verzichten. Sie glauben ihm nicht. Selbst den NRW-Landesvorsitzenden Franz Müntefering pfeifen die Kumpels gnadenlos als „Verräter“ aus.

Dabei ist es doch gerade Müntefering, auf dem nach den verlorenen Landtagswahlen alle Hoffnungen ruhen. Er soll nach seinem erfolgreich geführten Bundestagswahlkampf 1998 die tief zerstrittene Partei erneut ordnen und befrieden. Nun steht er als Vorsitzender in NRW unter Beschuss. Gleichzeitig schließt Ministerpräsident Wolfgang Clement nicht aus, dass er sich bei der Gesetzesverabschiedung im Bundesrat enthalten wird.

Auch in Berlin sorgt man sich um das neue Ökosteuergesetz. Doch gehen die Genossen und Genossinnen insgesamt glimpflich mit Schröder um. Sie beklagen vor allem die fehlende Disziplin in den eigenen Reihen. „Gerd, da musst du mit der Faust mal so richtig auf den Tisch hauen.“

Die Ermunterung tat dem Kanzler sichtlich gut. Doch Schröder weiß, dass es damit allein nicht getan ist. Karin Nink