Herr Hefele kriegt 2 Minuten

■ Albert Hefele

Gleich zu Beginn: Ich möchte über dieses Länderspiel am Sonntag nichts sagen. Beziehungsweise nur ganz wenig. Nur soviel: So schlecht waren die Unseren meiner Meinung nach nicht. Die Norweger waren eine Stunde lang sehr gut. Und: Nach einer frühen Führung der Norweger wären die Unseren natürlich untergangen mit Pauken und Trompeten. Nun will ich schweigen, denn der Beobachter und Betrachter

 Ein Gigant des Garbagesinging: Gerd Müller mit „Dann macht es Bumm!“

sind bekanntlich viele und mannigfaltige, und da muss ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben. Beziehungsweise nicht zu allem; mich interessieren mehr die kleinen Dinge des Lebens. So bin ich halt, deswegen heute: die Nationalhymne. Genauer: das Absingen derselben. Wenn man die Möglichkeit hätte, ganz nahe an den vor dem Spiel aufgestellten Mannschaften zu sein, würde man ungefähr Folgendes hören: „Nnnnnigk't 'n Rääächd 'nfreiheid, f'dssdsche Vat'lnnnd ... blööö'm Glaanse ...“ Brumm, brumm, nuschel, nuschel. Weil keiner die Zähne auseinandernimmt.

Ein immer wieder peinliches Bild, wenn deutsche Nationalspieler versuchen so zu tun, als ob sie singen würden, ohne wirklich zu singen. Dieses bemühte Quellen und Wellen der Mundpartie, dieses schamhafte Äugen nach der Kamera ... bin ich jetzt drauf? Ein ziemlich blödes Spiel für erwachsene Menschen, wie ich finde. Wer zwingt euch denn dazu zu singen? Haltet doch einfach den Rand. Oder steckt da der Alldeutsche Egidius Braun dahinter? „Singen, Männer! Aus vollem Halse!“ Aber es klappt nicht, ums Verrecken.

Dabei können sie singen. Na ja. Nicht direkt – aber sie haben es immer wieder getan – auf vielfältigen Tonträgern. Jimmy Hartwig und Toni Polster, der aber nicht gilded, und Christian Ziege und alle, alle Nationalmannschaften. Die alten Kameraden der Fünfzigerjahre

Ha-ho-heja-heja-he! Ha-ho-heja-heja-he! Schwarz und Weiß sind unsere Farben Und unsere Fahne, die ist Schwarz und Gold Ein stolzes Kämpferherz wir alle haben, Die Kugel nur für uns zum Siege rollt.

Da schimmern noch die guten, alten Werte durch, und man war schon irgendwie froh, dass zwanzig-dreißig Jahre später die Österreicher Udo Jürgens und Peter Alexander die musikalische Leitung an sich rissen und dem Geknödel der Nationalspieler Klasse verliehen: „España – wir kommen“ bzw. „Mexiko Mi Amor“. Roberto Blanco? Ich bin mir nicht sicher, ob der nicht auch irgendwo sein gutturales Organ mit eingebracht hat. Sicher bin ich mir bei Franz Beckenbauer, dessen gehauchtes: „Guta Froinda send niee aaalein!“ mich noch manchmal während einer Nachtmar heimsucht. Das ist so schlecht, dass es einem die Haare aufstellt, und verdient damit einen Toplistenplatz in der ewigen Hitliste des Garbagesinging.

Was Garbagesinging sein soll? „Garbagesinging“ subsummiert alles, was sängerisch/musikalisch absoluter Abfall ist. Schrott. Melodischer Kompost. „Garbagesinging“ ist ein Modewort, das ich soeben aus der Taufe gehoben habe und bei dessen Erstnennung Sie Paten sein dürfen.

Mein absoluter Liebling in dieser Hinsicht ist unverrückbar und auf ewig: Gerd Müller und sein Opus „Dann macht es Bumm!“. Besser kann man den Sinn des Fußballspieles nicht auf den Punkt bringen. „Ja und dann kracht's und alles schreit: der Müller macht's.“ Was will man mehr? So gehört sich das. Fürchterlich instrumentiert und alles in schön gemümmeltem Sprechgesang dargeboten. Ein Gigant des Garbagesinging. Zum Üben hatte Müller genug Zeit – während seiner 63 Länderspiele.