Keine Waffen an Folterer

■ NGOs fordern: Auch Exporte in Nato-Länder müssen streng überprüft werden

Berlin (taz) – Eine umfassende Reform der bestehenden Rüstungsexportrichtlinien haben gestern elf entwicklungspolitische Organisationen und Menschenrechtsgruppen gefordert. Statt aus beschäftigungspolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen die Rüstungsexporte weiter zu liberalisieren, müsse sichergestellt werden, dass nicht an Länder geliefert wird, in denen Menschenrechte verletzt werden, stellten die Nichtregierungsorganisationen in einer Erklärung fest.

Die aktuelle Diskussion um die im Oktober verabredete Novellierung der Richtlinien durch die Bundesregierung verfolgen die Organisationen mit Skepsis. Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, kritisierte die Eile, mit der die Regierung sich an die Überarbeitung macht: „Sechs Wochen sind zu kurz.“ Nassauer befürchtet eine Schlussstrichdiskussion, an deren Ende sogar eine Liberalisierung der Exporte stehen könnte. Das Misstrauen scheint nicht unbegründet. Auf der Sitzung des Bundessicherheitsrates vom 27. Oktober wurden eine Reihe von Rüstungsexporten in die Türkei gewährt – trotz der aktuellen Diskussion um die umstrittene Lieferung eines Leopard-Panzers.

Auch die geplante Reise von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) am Mittwoch nach Ägypten und in die Vereinigten Arabischen Emirate wird von den Organisationen kritisiert. Denn in Dubai findet zeitgleich eine Militärmesse statt. Ihre Befürchtung: Scharpings Anwesenheit könnten die Länder der Region als politisches Signal für neue Rüstungsverkäufe interpretieren. Sie sind seit geraumer Zeit am Eurofighter interessiert.

Herbert Wulf vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn verwies darauf, dass die ökonomische Bedeutung der Rüstungsindustrie völlig überschätzt würde. 90.000 Menschen seien in der Rüstungsindustrie beschäftigt, davon arbeite nur ein geringer Teil für den Export. Er wandte sich damit gegen das Argument der Hardthöhe, die Ausfuhr sei nötig, weil die Nachfrage der Bundeswehr allein nicht ausreiche und die Rüstungsindustrie ohne Exporte in die zweite Liga absteige.

Im Rahmen der verabredeten Novellierung der Rüstungsrichtlinien wollen die Organisationen auf eine restriktive, transparente und vor allem parlamentarisch kontrollierte Rüstungsexportpolitik hinwirken. Der Maßstab eventueller Menschenrechtsverletzungen in den Exportländern schließe ein, dass unter Umständen auch an Nato-Mitglieder keine Waffenlieferungen erfolgten.

In einem Schreiben an die Bundesregierung boten die Organisationen ihre Mitarbeit bei der Ausarbeitung der neuen Richtlinien an. Unter anderem erstellte amnesty international eine Liste der Länder, in denen deutsche Waffen zu Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Künftig, so die Unterzeichner der Erklärung, müssten Rüstungsexporte generell beschränkt und die Mittel für die zivile Bewältigung von Kriegsursachen erhöht werden. Es sei eine gefährliche Prioritätensetzung wenn weltweit 750 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben würden, während nur 48 Milliarden US-Dollar für Entwicklungshilfe zur Verfügung stünden.

Eberhard Seidel