Rudolf Dreßler geht auf die Überholspur

■ SPD-Sozialexperte entwirft Gesetz, ohne Gesundheitsministerin Fischer zu informieren

Berlin (taz) – Den gebeutelten Grünen wollten die SPD-Granden endlich mal Erfolgserlebnisse gönnen. Verkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) gab die Parole aus, auf die Identität der Grünen „auch als größerer Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen“. Rudolf Dreßler aber, sozialdemokratischer Haudegen der Bundestagsfraktion, mag partout nicht schmusen mit den Grünen. Der heimliche Gesundheitsminister hat laut Berliner Morgenpost einen Gesetzentwurf verfasst, der die amtierende Gesundheitsministerin, Andrea Fischer (Grüne), bloßstellt.

In dem Gesetzestext wird haarklein aufgelistet, wie die ebenso wichtige wie gefährdete Gesundheitsreform doch noch zu retten sei. Dreßler will danach von Fischers Globalbudget Abschied nehmen – wovon die Ministerin und Koalitionspartnerin aus der Zeitung erfuhr. Das Einfrieren der Gesundheitsausgaben auf einer festen Höhe soll nur noch für bestimmte Sektoren des Gesundheitswesen gelten. So sei es durch den Bundesrat zu bugsieren, hoffen die SPD-Gesundheitspolitiker.

Dreßler ließ gestern zwar dementieren – aber auf eine ausgesprochen feinsinnige Art: Es gebe kein „Strategiepapier“, hieß es im Büro Dreßlers, der Morgenpost-Bericht sei frei erfunden.

Von einem Strategiepapier hatte die Zeitung indes gar nicht berichtet, sondern von einem kompletten Gesetzentwurf.

Die grünen Dementis des gestrigen Tages beschränkten sich denn auch aufs Grundsätzliche: „Eines ist klar, die Ministerin heißt Fischer, und sie wird auch weiterhin so heißen“, sagte die Parteisprecherin der Grünen, Gunda Röstel, am Rande des Parteirates in Berlin. In der Sache bestätigte Röstel das Vorgehen Dreßlers: „Das Globalbudget ist ein wichtiger Ansatz gewesen“, sagte sie, man sei dabei, nach geeigneten Alternativlösungen zu suchen.

Das Globalbudget ist das Kernstück der Gesundheitsreform, muss aber das Placet des Bundesrates erhalten. Die Koalition plant daher, die Gesundheitsreform wie schon das Sparpaket in zwei Teile aufzuspalten. Einen, dem der Bundesrat nicht zustimmen muss, und einen anderen, der das Ja der Länderkammer benötigt. In dem Positionspapier Dreßlers, aus dem die Berliner Morgenpost in ihrer Montagausgabe zitierte, verabschiedet sich die SPD von dem geplanten Globalbudget für alle Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Die Sozialdemokraten plädieren dagegen für „sektorale“ Ausgabenbegrenzungen.

Fischer hatte zwar ihre Gesundheitsreform durch den Bundestag bekommen, wird aber höchstwahrscheinlich am Bundesrat scheitern. Bislang hat die Bundesregierung noch keine Alternative zu dem umfassenden Reformwerk vorgelegt. Allerdings hatte Gesundheitsstaatssekretär Erwin Jordan erklärt, falls die Reform scheitere, seien ein Beitragsbegrenzungsgesetz und zustimmungsfreie sektorale Budgets denkbar. Für die Aufteilung des Gesetzes in einen zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil gebe es aber noch keine fertigen Pläne.

SPD-Gesundheitsexperten hatten versichert, man wolle so viel wie möglich aus der geplanten „Gesundheitsreform 2000“ übernehmen – im Gegensatz zu Ministerin Fischer weiß Rudolf Dreßler anscheinend auch schon wie. cif