Kein bisschen Gnade für Egon Krenz

■ Neue Debatte um Amnestie entbrannt. Günter Schabowski nahm BGH-Urteil an

Berlin (taz) – Nachdem am Wochenende DDR-Bürgerrechtler, der Grüne Christian Stöbele, Peter Gauweiler (CSU) und Hans-Ulrich Klose (SPD) die Begnadigung von Krenz, Schabowski und Kleiber angeregt hatten, folgte gestern die Entrüstung.

Erwin Huber, Chef der bayerischen Staatskanzlei, erklärte, die Diskussion sei eine „Verhöhnung der Opfer des SED-Regimes“. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping nannte die Idee „absurd“. Rudolf Seiters (CDU) sagte, eine Begnadigung verstieße krass gegen das Gerechtigkeitsempfinden und würde die Gefühle der Opfer verletzen. Die allerdings sehen das anders: Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe, 1983 von der Stasi eingesperrt, kann sich sehr wohl eine Amnestie vorstellen. Die dürfe allerdings nicht oben, sondern müsse unten, bei den kleinen Mittätern, beginnen. „Entscheidend für eine Amnestie ist allerdings, dass die Opfer damit einverstanden sind“, erklärte Poppe der taz. Andernfalls habe sie keine friedensstiftende Wirkung. Reinhard Schult, Mitbegründer des Neuen Forums und wegen der Verbreitung von Biermann-Texten 1979 zu acht Monaten Knast verurteilt, bezeichnete den ganzen Prozess als verletzende Farce. Krenz und Co. hätten nicht wegen der Mauertoten, sondern nach Paragraf 207 des Stafgesetzbuches der DDR wegen verfassungsfeindlichen Zusammenschlusses angeklagt werden müssen. „Unrecht in der DDR hat den Westen nie interessiert“, so Schult zur taz. Dass es bei der Amnestiedebatte um mehr als Egon Krenz geht, verdeutlicht Sachsen-Anhalts Regierungschef Reinhard Höppner (SPD), der eine Begnadigung von Krenz ablehnt, und fordert, die Stasi-Überprüfungen im Osten zu reduzieren. „Wenn die Bildung einer terroristischen Vereinigung nach zehn Jahren verjährt, darf auch das Ausspionieren nach zehn Jahren keine Nachteile für jemanden mehr haben“.

Unterdessen nahm Günter Schabowski das BGH-Urteil an. Er war wie Kleiber in letzter Instanz zu drei-, Krenz zu secheinhalbjähriger Haft verurteilt worden. Der Termin für den Haftantritt ist weiter offen. Nick Reimer