Macht Heu, nicht Krieg!

■ Dazed, beautiful and bruised: Die aus Wales stammende Band Catatonia und ihre spröde und trotzdem charmante Vorturnerin Cerys Matthews erwecken Britpop zu neuem Leben

Ein eigenartiges Volk, diese Briten. Das wussten schon Asterix und Obelix, als sie jeden Tag die schönsten Prügeleien pünktlich um fünf der Teestunde wegen unterbrechen mussten. Das wissen auch alle, die sich privat oder beruflich mit britischer Popmusik beschäftigen. Denn es scheint, als hätten die Briten schon vor zwei Jahren mit Rückblicken auf die Neunziger und überhaupt angefangen: Britpop ist tot, der Affe auch, die Klappe zu. Seitdem wird gejammert und geklappert, obwohl sich die Briten rühmen können, selbst dann noch große Bands hervorzubringen, wenn so scheinbar gar nichts läuft.

Wie zum Beispiel die aus Wales stammenden Catatonia. Eine Band, um die es nie Hypes und Hysterien gab (von wegen erste Single, dann Superstars), keine pills, keine thrills, von bellyaches ganz zu schweigen, eine Band, die sich von Album zu Album und von Jahr zu Jahr so richtig entwickeln konnte. Zu Anfang verschwanden Catatonia in einen kleinen Hype um walisische Bands wie Super Furry Animals oder Gorky's Zygotic Mynci: Indiepop, ordentlich gemacht, irgendwie ganz hübsch, aber ohne Glanz und Gloria.

Wenn überhaupt, war es die Catatonia-Sängerin Cerys Matthews, die dazu Anlass gab, für die Band noch ein paar andere Schubladen aufzuziehen wie New Wave Of The Wave (Elastica!) oder Björk-Schule. Ihr Duett mit dem Space-Sänger Tommy Scott in „The Ballad of Tom Jones“ sorgte schließlich dafür, dass sich die Briten mit einiger Verspätung doch ganz arg in sie verliebten, und später auch in die Catatonia-Alben „International Velvet“ und „Dead From The Waist Down“. Spröder Charme, plötzlich around: Cerys Matthews ist so eine Art All-British-Girl – sehr normal, sehr durchschnittlich, nicht besonders glamourös. Ein Girl, dass sich mit seinen Songs in die wunderbare Welt des Pop hineinträumt und über das anstrengende Nachtleben in London singt, über die Zauberkraft des Drei-Minuten-Pop oder Lieder, die man sich von den Bäumen stiehlt. Beliebte Rollenzuweisungen allerdings – sagen wir Bitch oder Riot Girl, Voodoo Queen oder Madonna, die zweite – wollen bei ihr nicht richtig greifen. Schon eher muss man mit Zuschreibungen wie gutes Mädchen, schlechtes Mädchen, mit einer Mischung aus Prinzessin, Zuckerbaby oder freche Landgöre vorlieb nehmen. Und auch mit ihrer Stimme macht sie es niemandem leicht. Die geht mal rauf, mal runter, die ist mal rauh, mal piepsig, und um sie in ihrer ganzen Größe zu erkennen und zu hören, braucht es Zeit.

Genau wie für die Catatonia-Songs insgesamt: Die haben was ebenso Sprödes, Ländliches, Unbeholfenes und Erdiges wie Matthews, die verlieren sich nicht in einem Meer von Referenzen und scheinen ganz sie selbst zu sein. Selbst Pianos oder Streicher klingen hier nie aufgesetzt oder peinlich. Nicht dazed and confused, sondern dazed, beautiful and bruised halt. Ein bisschen eigenartig das alles, wie Wales oder Großbritannien eben auch, aber schön. Musik, bei der man sich nicht entscheiden kann, ob man die nun mit ganz vielen Menschen im Fußballstadion hören möchte oder doch lieber allein zu Hause bei einer Tasse Tee. Dadrock, Momrock, Britpop: Catatonia interessiert das alles nicht, die musizieren lieber nach der Devise: „Make hay, not war, the sun is shining!“ Also lauft, Leute, lauft!

Gerrit Bartels

Heute, ab 20.30 Uhr, ColumbiaFritz, Columbiadamm 9 – 11