Die Schweden kommen

Der Staatskonzern Vattenfall steigt auf dem deutschen Strommarkt ein und kauft 25,1 Prozent der Hamburgischen Electricitäts-Werke  ■   Aus Hamburg Sven-Michael Veit

Carl-Erik Nyquist ist hoch zufrieden. Gestern unterzeichnete der Vorstandschef des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall im Hamburger Rathaus einen 1,7 Milliarden Mark schweren Kaufvertrag über 25,1 Prozent der Anteile an den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW). Zudem haben sich die Schweden ein Vorkaufsrecht auf die letzten noch der Stadt gehörenden 25,1 Prozent und damit auf die absolute Mehrheit beim Hamburger Atomkonzern gesichert.

Die HEW betreibt zusammen mit PreussenElektra (Preag) die vier norddeutschen AKWs Stade, Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf. Nyquist hält die 1,7 Milliarden dennoch „für eine sehr gute Investition“. Seit Jahren plant der schwedische Staatskonzern den Sprung auf den Kontinent; der gestrige Einstieg in den deutschen Strommarkt ist der erste große Schritt zur Umsetzung seiner Expansionsstrategie.

Der größte skandinavische und fünftgrößte europäische Stromkonzern ist entschlossen, so Nyquist, im Konkurrenzkampf um die Steckdosen der Verbraucher südlich der Ostsee ein gewichtiges Wörtchen mitzusprechen. Dass die Gegner RWE/VEW, Veba/Viag, EnBW/EDF und die ostdeutsche Veag den Schweden in Stromerzeugung, Umsatz und Gewinn ebenbürtig sind, scheint Vattenfall keineswegs abzuschrecken.

Beim aktuellen Deal profitierten die Schweden von den Bedenken der Wettbewerbshüter im Bundeskartellamt. Vattenfall bekam nicht zuletzt deshalb den Vorzug vor den mitbietenden Stromkonzernen VEW (Dortmund) und der Veba-Tochter PreussenElektra, weil diese gerade im deutschen Konzentrations-Monopoly tragende Rollen spielen. Durch die geplante Fusion der Mischkonzerne Veba und Viag würden auch deren hundertprozentige Töchter Preag und Bayernwerk zum zweitgrößten deutschen Energieversorger verschmolzen werden. VEW und REW planen den Zusammenschluss zur Nummer 1 auf dem Strommarkt; an der Nummer 3 der Rangliste, Energie Baden-Württemberg (EnBW), zeigt der französische Energiegigant EdF nachhaltiges Interesse.

Würden diese Fusionen abgeschlossen, würden diese drei sowie die ostdeutsche Veag den deutschen Energiemarkt fast vollständig unter sich aufteilen. Jetzt aber mischt mit Vattenfall ein fünfter Konkurrent mit, dem auch weitergehende Gelüste im südlichen Ostseeraum und damit in Nordostdeutschland nachgesagt werden.

Das Unternehmen „Wasserfall“ begann 1909 mit Wasserkraftwerken in Nordschweden. Inzwischen produziert es 50 Prozent seines Stroms in Atommeilern. In den vergangenen drei Jahren hat Vattenfall diverse Beteiligungen an Energieversorgern in den Niederlanden, Polen und den baltischen Staaten erworben sowie in den skandinavischen Nachbarländern Dänemark, Norwegen und Finnland mächtig hinzugekauft. Ein erster kleiner Brückenkopf in Deutschland ist seit 1997 die 75-prozentige Tochter Vasa Energy in Hamburg. Vasa will mit dem Bau von drei je 400 Megawatt leistenden hochmodernen Gas- und Dampfturbinenkraftwerken in Lubmin bei Greifswald „dem Atomstrom die Preisführerschaft streitig machen“, wie Vasa-Sprecher Christian Gotthardt unverhohlen zugibt. Zwar sind die HEW nur die Nummer sieben unter den deutschen Energieversorgern und damit ein kleinerer Fisch im Haifischbecken des liberalisierten Strommarktes. Vattenfall aber baut auf die „Erfahrungen“, die auf dem bereits seit vier Jahren freigegebenen Markt in Schweden gesammelt wurden: „Auf offenen Märkten“, sagt Jørgen Anderson, Aufsichtsratsvorsitzender von Vattenfall, „besitzen wir einen Know-how-Vorsprung.“ Der Sozialdemokrat weiß, wovon er spricht: Als Energieminister hat er Anfang der 90er-Jahre die Liberalisierung in Schweden konzipiert und durchgesetzt.