■ Filmstarts a la carte
: Frühstück im Menschenpark

Ein Mann erklärt, dass die Gehirnmasse des Menschen sich heute nicht wesentlich von der des Steinzeitmenschen unterscheidet und plädiert für die Veredelung der menschlichen Rasse durch Auswahl des Erbmaterials und künstliche Befruchtung. Nun handelt es sich bei diesem Vertreter seltsamer Thesen allerdings weder um Heinrich Himmler und schon gar nicht um Peter Sloterdijk, sondern um den Biologen Etienne Alexis (Paul Meurisse), den Helden in Jean Renoirs Film „Le Déjeuner sur l'Herbe“ (1959). Alexis möchte außerdem gern Präsident des vereinigten Europas werden, sowie – aus reinen Vernunftgründen – seine deutsche Cousine, die adelige Vorsitzende einer Pfadfindervereinigung, heiraten. Unterstützt wird er in seinen Plänen von zwei Cousins, die als Besitzer großer Chemiefabriken mit dem aufkommenden Zeitalter der künstlichen Befruchtung auch das Zeitalter der dicken Brieftaschen erwarten. Wie man also schnell erkannt hat, handelt es sich bei der Geschichte um eine Farce. Und genauso hat Autor und Regisseur Renoir sie auch inszeniert: mit Auftritten und Abgängen wie auf dem Theater, obwohl der Film – ganz wie es der Titel verheißt – zum allergrößten Teil in der Natur spielt. Die schließlich auch die Oberhand gewinnt: Als Alexis nämlich die ebenso naive wie hübsche Bauerntochter Nénette kennenlernt, ist es mit der Theorie von der künstlichen Besamung vorbei und die gute alte Handarbeit erobert in der Praxis ihren Stellenwert zurück. Renoirs Spätwerk erscheint als ein fröhlicher und geradezu anarchischer Film, dem man den Spaß, den alle Beteiligten offensichtlich bei der Arbeit hatten, deutlich anmerkt. Zudem fand Renoir endlich die Gelegenheit, die Landschaft von Les Collettes zu filmen, die sein Vater häufig gemalt hatte. Dass allerdings die vor vierzig Jahren tagesaktuellen Themen (selbst die Gefährlichkeit der Atomnutzung kommt vor) auch heute noch die Spalten von Zeitungen und Magazinen füllen, stimmt nachdenklich.

„Frühstück im Grünen“ 20.11.- 21.11. im Filmkunsthaus Babylon

Er war mit Renoir befreundet: Henri Langlois, der Gründer der Cinématheque Française, ohne den die europäische Filmgeschichte – und das kann man mit Recht behaupten – vermutlich anders ausgesehen hätte. Denn die Cinématheque mit ihren vom bedingungslosen Jäger und Sammler Langlois aufgespürten Schätzen war nicht nur für die späteren Regisseure der Nouvelle Vague eine der wichtigsten filmhistorischen „Bildungstätten“ in Europa. Edgardo Cozarinsky spürt in seinem Portrait „Citizen Langlois“ dem Leben und Wirken des Kinofanatikers nach.

„Citizen Langlois“ (OmU) 24.11. im Arsenal

Wem David Cronenbergs Scherze über merkwürdige menschliche Körperöffnungen wie den Bioport (und was man da alles hineinstecken kann) in „eXistenZ“ gefallen haben, der kann im Central-Kino erkunden, wer was wieso und mit wem in anderen Filmen des Maestros herumfummelt: James Woods zum Beispiel, der in „Videodrome“ die Hand (zum Wärmen?) unter seine Bauchdecke steckt, oder vielleicht die schleimigen kleinen Parasiten in „Shivers“, die den Infizierten entweder langsam die Kehle hochkriechen oder auch schon mal harmlose Badewannenbenutzer penetrieren. Und auch Marilyn Chambers nimmt in „Rabid“ Kontakt zu ihren Mitmenschen auf: mit einem – aufgrund einer Gewebetransplantation gewachsenen – Stachel in der Achselhöhle, mit dem sie ihren Opfern das Blut aussaugt und sie gleichzeitig mit Tollwut infiziert. Auf dass am Ende der Weihnachtsmann einer Einkaufspassage erschossen werden muss. Fröhliche Adventszeit!

„Shivers“ 18.11., 24.11.; „Scanners“ 18.11., 24.11.; „Rabid“ 19.11., 24.11.; „Videodrome“ 20.11.-21.11. im Central 2

Lars Penning