Kommentar
: Geld und Körper

■ Macht Sparen schlank?

Am Verhandlungstisch herrscht Verstopfung. Jedes Wochenende mampfen die Unterhändler von CDU und SPD Unmengen von Kirschstreuselkuchen oder Lachsschnittchen mit ungesundem Weißbrot – und gleichzeitig blieben bislang alle Versuche ergebnislos, ein Sparpaket für die kommende Wahlperiode zu schnüren.

Besteht da ein Zusammenhang? Politiker, die im Privaten der Völlerei frönten, zeigten auch im Umgang mit öffentlichen Kassen nur wenig Neigung zu spartanischer Zurückhaltung. Mit dem ganzen Gewicht seines historisch gewachsenen Körpers saß Kanzler Kohl den Anstieg der Staatsschulden bis zur Zweibillionenmarke aus. Auch der Berliner Senator Peter Radunski wollte den Kulturschaffenden nicht jene Schlankheitskur verordnen, die er selbst verweigerte. Der kulinarische Musikgenuss ließ die Schuldenberge der Opernhäuser wachsen.

Die Sparkommissare in Bund und Land dagegen, Hans Eichel und Annette Fugmann-Heesing, halten außer dem Staatshaushalt ganz nebenbei auch ihr eigenes Körpergewicht unter Kontrolle. Und Bundesaußenminister Joseph Fischer wandelt als Inkarnation des rot-grünen Zukunftsprogramms durch die politische Landschaft.

Wer sich regt und auf schwere Kost verzichtet, erleidet später keinen Herzinfarkt. Wenn der Staat heute seinen Haushalt verschlankt, wird er auch morgen noch kraftvoll zubeißen können.

Und kann es ein Zufall sein, dass sich im Laufe der 90er-Jahre Körperkult und Sparpolitik nahezu gleichzeitig ihren Siegeszug antraten? Gleich reihenweise schlossen städtische Finanzdezernenten jene Schwimmbäder, in denen sich übergewichtige Sportverächter auf der Liegewiese wälzten. Im Gegenzug eröffnete an jeder Ecke ein neues Fitnessstudio, in dem elektronische Anzeigen über jede ausgeschwitzte Kalorie penibel Rechenschaft ablegten.

Was schließen wir daraus? Für die nächste Koalitionsrunde am Sonntag ist das Catering entscheidend. Kuchen und Schnittchen können sich die Unterhändler abschminken. Im eigenen Interesse muss die Finanzsenatorin Obst und Mineralwasser auf den Speisezettel setzen. Das wäre wahre Zukunftspolitik. Ralph Bollmann