Euch wollen wir hier sowieso nicht“

■  Schwulenfeindliche Bademeister haben in Berlin nichts mehr zu lachen. Das erste Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen wird 10 Jahre alt

Erfolg kann so unspektakulär sein: Ein schwulenfeindlicher Bademeister machte den Schwimmern des Sportvereins Vorspiel e. V. das Leben schwer. Sie mussten sich nicht nur schwulenfeindliche Sprüche anhören, ihnen wurden auch die zusätzlichen Trainingsbahnen verweigert: „Euch wollen wir hier sowieso nicht.“

Doch der städtische Bademeister sollte sein blaues Wunder erleben. Der Verein Vorspiel schaltete Claus Nachtwey vom „Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ ein, der bei der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport angesiedelt ist. Nachtwey holte den zuständigen Stadtrat und die schwulen Sportler an einen Tisch. Die Konsequenz: der Stadtrat entschuldigte sich, der Bademeister wurde zur Rechenschaft gezogen. „Im Nu gab es die zusätzlichen Bahnen“, sagt Nachtwey.

Wenn es nur immer so einfach wäre. Das bundesweit erste Verwaltungsreferat für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen, das heute sein zehnjähriges Bestehen feiert, hat seine Erfolge meist zäh erkämpfen müssen. Jahrelang blockierte der frühere Berliner Schulsenator Jürgen Klemann (CDU), dass junge Lesben und Schwule mit SchülerInnen im Unterricht über Homosexualität diskutieren dürfen.

Zwei Jahre dauerte es, bis der frühere Berliner Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) eine Weisung erließ, dass ausländische Partner eines binationalen Homo-Paares unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Die großzügigere Regelung, die der Fachbereich für die Innenverwaltung erarbeitet hatte, schrumpfte zwar zu einer Minimallösung. Doch immerhin erhielten damit bislang 20 ausländische Lesben und Schwule ein Aufenthaltsrecht.

Schon die Einrichtung des Verwaltungsreferats musste 1989 hart erkämpft werden. In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung hatte die SPD das grüne Wunschvorhaben einfach „vergessen“. Nur weil die damalige Verhandlungsführerin der Grünen, Renate Künast, darauf stieß, wurde es doch noch schriftlich fixiert – als Fußnote auf der letzten Seite des Koalitionsvertrags.

Längst schmücken sich auch die SPD-SenatorInnen gerne mit dem Homo-Referat. Doch die engen Spielräume der Großen Koalition bekommen die vier MitarbeiterInnen – derzeit zwei Lesben, ein Schwuler und eine heterosexuelle Kollegin – zu spüren. Ein fertig ausgearbeitetes Antdiskriminierungsgesetz für Lesben und Schwule setzt in der Schublade Staub an. Die CDU zieht nicht mit.

Dennoch können sich die Erfolge des Fachbereichs sehen lassen: Lesben und Schwule können in Berlin einen gemeinsamen Wohnberechtigungsschein für Sozialwohnungen erhalten. Der vielleicht größte Erfolg war 1990 die Einrichtung eines Lesben- und Schwulenbeauftragten bei der Polizei. Trotz spärlicher Finanzmittel organisierte das Homo-Referat zahlreiche Fachtagungen und veröffentlichte Broschüren: beispielsweise zum Mietrecht für lesbisch-schwule Lebensgemeinschaften. Außerdem vergibt das Referat jährlich rund 600.000 Mark Fördermittel an Lesben- und Schwulenprojekte.

Zuweilen werden die Verwaltungskräfte zum Sorgentelefon: Eine Mutter ruft an, auf der Suche nach ihrer lesbischen Tochter, die von zu Hause ausgerissen ist. Ein Schwuler, der an seinem Arbeitsplatz diskriminiert wird, erhofft sich Beratung. Diplomanden fragen wegen Material für ihre Abschlussarbeiten an.

Die MitarbeiterInnen der ersten Stunde, Ilse Kokula, Stefan Reiß, Claus Nachtwey und Lela Lähnemann, stammten alle aus der Lesben- und Schwulenbewegung. Erst mit der Zeit fanden die Quereinsteiger in der Verwaltung ihre Rolle. Politik machen als Verwaltungskraft – das ging nicht. „Es gibt ein magisches Dreieck aus Politik, Verwaltung und Lesben- und Schwulenbewegung, in dem jeder seine Rolle hat“, sagt Nachtwey aus schmerzlicher Erfahrung.

Kritik über die mangelnde öffentliche Wirkung gab es immer wieder, vor allem von den „Vätern“ des Referats, den damaligen grünen Abgeordneten Albert Eckert und Dieter Telge. „Die Öffentlichkeitswirkung ist nicht atemberaubend“, stellt Eckert fest. Doch das sei dem Verwaltungsstatus geschuldet. „Wir waren damals so blauäugig zu glauben, man könne die Verwaltung neu erfinden.“

Eckert hatte ursprünglich einen Senatsbeauftragten für Lesben und Schwule gefordert, der ähnlich wie der Datenschutzbeauftragte ein eigenständiges Öffentlichkeitsrecht hat, zudem ein Recht auf Akteneinsicht in allen Verwaltungen sowie ein Rederecht im Parlament. Eine Forderung, die Eckert und die Grünen heute nicht mehr erheben.

„Von der linken Staatsgläubigkeit, dass sich die Welt auf dem Verwaltungswege verbessern lässt, bin ich kuriert“, lacht Eckert. Die Gleichberechtigung für Lesben und Schwule müsse vor allem gesellschaftlich erkämpft werden. Lesben- und Schwulenbeauftragte bei der Bundesregierung hält er hingegen für sinnvoll. „Das hätte eine ungleich stärkere Symbolkraft.“

Eckerts damaliger Fraktionskollege Dieter Telge hält dagegen an der Forderung eines eigenständigen Beauftragten fest. Der erhoffte „rosa Stachel“ im Fleisch der Verwaltung sei das Referat nicht geworden. Fest eingebunden in die Hierarchien, hätte es „kaum Handhabe, unbequem zu werden“. Dennoch ziehen Telge und Eckert nach zehn Jahren eine positive Bilanz. „Solange es Diskriminierung gibt, brauchen wir ein solches Referat“, so Eckert.

Denn die Diskriminierung lauert auch in der unverdächtigsten Verwaltungsvorschrift, zum Beispiel der Friedhofsordnung. Erst auf Initiative der Homo-Referenten sichert §15 Absatz 6 der Friedhofsordnung lesbischen und schwulen Paaren das gemeinsame Nutzungsrecht einer Grabstätte. Einer gemeinsamen Bestattung steht damit nichts mehr im Wege.

Dorothee Winden