Gnade für Richter

■ Umstrittener Hamburger Jurist wird jetzt strafversetzt. Ermittlungen laufen

Hamburg (taz) – Ronald Schill will weiter kämpfen: Gegen „Träumereien vom milden liberalen Strafrecht“, für „den Schutz der rechtschaffenen Bürger dieser Stadt vor Kriminellen“. Kaum hatte das Präsidium des Hamburger Amtsgerichts Dienstagabend die Entscheidung gefällt, den umstrittenen Richter zum Jahreswechsel vom Straf- ans Zivilgericht umzusetzen, da kündigte dieser sein neues Forum an: Ab heute wird Richter Roland Schill regelmäßig im Nachrichtenmagazin von RTL-Nord „seine persönliche Einschätzung zu brisanten Themen der Stadt geben“.

Schon in der Vergangenheit hatte der als „Richter Gnadenlos“ bekannte Jurist seine politische Auffassung über die Medien verbreitet. In Talkshows fordert er Gefängnis schon für 12-jährige Kinder und die Abschaffung des Asylrechts.

Seine politische Kampagne flankierte er im Gerichtssaal mit knallharten Urteilen: Einen Angeklagten verurteilte er zu 15 Monaten Gefängnis, weil er Polizisten bei der Passkontrolle eines Schwarzafrikaners aufgefordert hatte, die Papiere wieder herauszugeben. Die Entscheidung des Gerichtspräsidiums, ihn künftig in der Zivilabteilung zu beschäftigen, hatte sich abgezeichnet. Denn lange schon galt Schill in Justizkreisen als untragbar. Immer öfter haben ihn Kollegen und Kolleginnen davor gewarnt, auf dem Rücken der Angeklagten Politik zu machen. Ein Staatsanwalt hielt ihm Anfang Oktober vor, Schill könne „mit der amtlich verliehenen Macht nicht verantwortlich umgehen“. Ein anderer Angeklagter erklärte den Richter Ende Oktober für befangen und beantragte seinen Ausschluss von einem Prozess. Wegen Schills politischer Äußerungen müsse der Angeklagte „den Eindruck haben, dass ihm keine gerechte Strafe widerfahren könnte“.

Im kommenden Jahr könnte Schill selber als Angeklagter vor Gericht stehen. Gegen ihn laufen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung. Anfang Mai hatte er während eines Prozesses zwei Zuschauer in Ordnungshaft nehmen und drei Tage im Gefängnis sitzen lassen. Elke Spanner