Gutachter gibt grünes Licht für Ausstieg

■  Ein von Umweltminister Trittin beauftragter Rechtsgutachter hält die baldige Stilllegung der drei ältesten AKW für möglich. Befristung auf eine Laufzeit von 25 bis 26 Jahren sei verfassungsrechtlich unbedenklich

Berlin (taz) – Die ältesten deutschen Atomkraftwerke könnten Anfang 2001 abgeschaltet werden. Das geht aus dem Gutachten des Frankfurter Rechtsprofessors Erhard Denninger hervor, das Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten, das der taz vorliegt, bildet die juristische Grundlage für das Gesetz zum Atomausstieg, an dem die rot-grüne Regierung gegenwärtig arbeitet. Die Staatssekretäre der Ministerien für Umwelt, Wirtschaft, Justiz und Inneres sollen den Gesetzestext in den nächsten Wochen vorlegen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht „ergibt sich für die Befristung von Anlagen-Genehmigungen eine Zeitspanne von ca. 25 bis 26 Kalenderjahren seit Inbetriebnahme“, so Denninger. Das würde bedeuten, dass die ältesten Atomkraftwerke sofort nach Verabschiedung des Ausstiegsgesetzes vom Netz gehen müssten.

Das AKW Obrigheim läuft bereits 31 Jahre, Stade 27 Jahre und Biblis A 25 Jahre.

Um die technische Sicherheit und die Sozialverträglichkeit einer Schließung zu gewährleisten, müsse die Regierung laut Denninger aber „einen besonderen Abwicklungszeitraum von einigen wenigen Jahren einräumen“. Dieser Zeitraum solle „circa ein bis drei Jahre“ betragen. Von heute an gerechnet könnten die drei AKW also frühestens zu Beginn des Jahres 2001 abgeschaltet werden. Wird die Abwicklungsfrist allerdings voll ausgeschöpft, ist erst Anfang 2003 Schluss.

Der spätere Termin birgt ein Problem für die Regierung, besonders für den grünen Koalitionspartner. 2003 haben die nächsten Bundestagswahlen bereits stattgefunden und Rot-Grün könnte abgewählt worden sein. Die Regierung will deshalb noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode ein Zeichen setzen und einige Anlagen abschalten. Eigentlich will die Regierung den Ausstieg im Konsens mit den Atomfirmen regeln – und zwar ohne Entschädigungen zahlen zu müssen. Doch die Konzerne boykottieren die Gespräche zur Zeit. Außerdem beharren sie auf 35 Jahren Laufzeit pro AKW, in denen die Anlagen tatsächlich Strom geliefert haben. Zeigt sich die Atomwirtschaft nicht noch in letzter Minute kompromissbereit, will die Regierung das Gesetz bis zum Jahresende in den Bundestag einbringen. Hannes Koch

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