Kommentar
: Empörung tut Not

■ Einschränkung der Freiheitsrechte geht voran

Was für ein Spaß. Weihnachtsmänner dürfen wegen des Vermummungsverbots nicht demonstrieren. Oder doch? Lassen sich jedenfalls lustige Geschichten drüber schreiben. Haben fast alle Berliner Zeitungen, einschließlich der taz, gestern getan. Meist in Glossenform. Häufig prangte auf derselben Seite ein heimeliges Foto von einem glücklichen Weihnachtsmann, um das Thema Weihnachtsmarkteröffnung zu illustrieren.

Heute wird das Thema in den meisten Medien nicht mehr zu finden sein. Spaß muss sein. Aber ist es richtig, dass wir uns bei diesem Thema nicht ausdrücklich empören? Schließlich ist der aktuelle Fall nur die perverse Spitze einer schleichenden Entwicklung: Die Freiheitsrechte werden immer weiter ausgehebelt. Bestrebungen dafür gab es von staatlicher Seite immer schon. Aber früher wurde dagegen wenigstens erbitterter Widerstand geleistet – etwa bei der letzten Volkszählung. Heutzutage ist das anders: Der große Lauschangriff wurde im vergangenen Jahr von CDU und SPD beschlossen. Nur wenige Jahre zuvor wäre das undenkbar gewesen.

Und in Berlin will Innenminister Eckart Werthebach (CDU) das Demonstrationsrecht weiter einschränken. Nicht einmal die SPD-Linke lehnt sich dagegen auf.

In den aktuellen Koalitionsverhandlungen geht es darum, öffentliche Straßen und Plätze mit Videokameras zu überwachen. Ohne öffentliche Resonanz.

Immer mehr Chip-Systeme wie sie gerade bei den Berliner Verkehrsbetrieben getestet werden, geben Aufschluss darüber, woher, wo und wohin der Bürger sich bewegt. Kümmert das jemanden? Benutzerfreundlichkeit geht inzwischen vor Datenschutz. Ausgerechnet Berlin, ausgerechnet die Hauptstadt geht zur Zeit mit schlechtem Beispiel voran. Ausgerechnet ihre Polizei hat den mit weitem Abstand schlechtesten Ruf von allen Länderpolizeien, allerdings schon seit Jahren.

Schwer vorstellbar, dass es in anderen Städten einen solchen Wirbel um eine Demonstration von Weihnachtsmännern gegeben hätte. Die Stadt, in der die Bundesregierung sitzt, hat einen besonderen Einfluss. Ihre Signalwirkung ist verheerend. Markus Franz

Berichte Seite 20 und 22