Rod Stewart lässt Wasser

■ Scottish Pie: ... und seine Schotten gehen siegreich mit 1:0 gegen die Engländer unter

You‘re in my heart, you're in my soul ...

Und wieder einmal geschah in Wembley, der berühmtesten Sportarena der Welt, eine Überraschung – in der Halbzeitpause, auf der Toilette des Presseraums: Dort stand plötzlich Rod Stewart, in die Jahre gekommener schottischer Rockstar, neben einem. Was denkst du, Rod, können die Schotten das vielleicht sogar noch gewinnen, rief einer von hinten aus der Schlange. Stewart, ein fanatischer Anhänger des schottischen Fußballteams, machte weiter Pipi und sprach mit tiefer Stimme: „Zumindest halten wir dagegen, verdammt noch mal, wir fordern sie.“ Yeah, sagte einer. „Yeah, Mann“, sagte Stewart, machte den Reißverschluß seiner schwarzen Lederhose zu und war weg.

Wieder einmal waren die Schotten, die sich über Jahrzehnte das Image des ewigen Verlierers erarbeitet haben, damit zufrieden, dem Gegner viel abzuverlangen. Dabei wäre an diesem Mittwochabend vor 76.000 Zuschauern in London beim Play-off-Rückspiel um die Qualifikation zur Europameisterschaft 2000 alles möglich gewesen: Die englische Nationalelf wirkte wie betäubt von der Furcht, nach dem 2:0-Erfolg im Hinspiel alles noch zu verspielen. Die schottischen Außenseiter führten sie zeitweise vor mit ihrem Flachpassspiel – und hatten am Ende doch nur einen Sieg errungen, der eine Niederlage war. 1:0 gewonnen, „wir sind stolz, und wir sind ausgeschieden“, sagte Torschütze Don Hutchison, der nach 39 Minuten getroffen hatte.

Es war das bekannte Motto eines Fußballlandes, das bei internationalen Meisterschaften grundsätzlich mit Herzschmerz in der Qualifikation oder ersten Runde scheitert. Diesmal war es allerdings wirklich ein unerwarteter Gewinn, dass die Schotten nach dem eindeutigen Resultat in Glasgow dieses Rückspiel überhaupt noch zum Wettkampf gestalteten – mit ein bisschen Hilfe der ängstlichen Engländer. „Fünf meiner Spieler hatten heute zu kämpfen, das sind zu viele“, wusste Englands Coach Kevin Keegan.

Ein besseres Team hätte die schwachen Engländer blamiert. Den Schotten jedoch fehlen die Einzelkönner, um echten Schaden anrichten zu können. Kurz vor Schluss hatte Verteidiger Christian Dailly dann die Chance, aber Englands Torwart David Seaman wischte den Kopfball mit den Fingerspitzen weg. „Er hat Herzen gebrochen“, sagte Hutchison später über Seaman.

Kevin Keegan beschäftigte sich da schon mit der Zukunft. „Wir können Europameister werden“, sagte Englands Trainer, aber nur weil er das immer öfter sagt, wird es auch nicht wahrer. Er hatte allerdings genug Takt, nach der Qualifikation durch Niederlage auf Siegesgesten zu verzichten: „Kein Abend für Ehrenrunden.“

Wirklich? Auch 45 Minuten nach Spielende hörte man noch Jubelgesänge durch die dicken Wände von Wembley. Die 8.000 schottischen Fans, die aus Erfahrung wissen, dass es für sie nichts anderes zu feiern gibt als ehrenvolles Ausscheiden, waren immer noch auf ihren Plätzen und rockten ab zu dem Siebziger-Jahre-Schlager, der über die Stadionlautsprecher lief.

Nur von Rod Stewart war nichts mehr zu sehen. Vielleicht war es zu viel für ihn – dass sie nun ausgerechnet noch „Rockin' all over the world“ von Status Quo spielten, der Band, die vor 20 Jahren seine großen Konkurrenten um Platz eins in den Hitparaden waren.

Ronald Reng