Wie natürlich soll es sein?

Bis heute fehlt eine gesetzliche Regelung, welche Produkte als „Natur“-Kosmetik bezeichnet werden sollen. Zudem ist die Wirkung auch der anerkannten Natur aus der Tube laut Warentest nicht immer überzeugend  ■   Von Kim Kindermann

Was Naturkosmetik genau ist, war bis vor wenigen Jahren unter den Herstellern umstritten

Müssen es Ringelblumen oder Kamillenblüten pur sein, oder reichen schon ein paar Tröpfchen grüner Tee, um aus einer Hautcreme ein Naturkosmetikprodukt zu machen? Ist die Hanfcreme aus dem „Body Shop“ genauso ökologisch wie die im HanfHaus?

Was Naturkosmetik eigentlich genau ist, das war noch bis vor wenigen Jahren selbst unter den Herstellern umstritten. Und während es für Lebensmittelprodukte eine gesetzliche Regelung gibt, wann etwas als natürlich bezeichnet werden darf, fehlt eine solche Regel bei kosmetischen Mitteln bis heute.

Trotzdem haben sich die Hersteller von Naturkosmetik 1993 auf einige Mindestanforderungen geeinigt. Immerhin geht es darum, einen heiß umkämpften Markt zu sichern. Pro Jahr geben die Deutschen insgesamt 8,9 Milliarden Mark nur für Körper- und Haarpflegemittel sowie für die so genannte dekorative Kosmetik aus. Und auch der Trend zur natürlichen Pflege geht weiter nach oben. Die Zeitschrift Brigitte etwa fand heraus, dass über die Hälfte der Verbraucherinnen sich eine Kosmetik wünscht, die „nur natürliche Wirkstoffe enthält“.

Seit 1993 nun müssen Naturkosmetika zwar ausschließlich aus entweder pflanzlichen oder tierischen (!) Naturprodukten hergestellt sein, aber sie können nach wie vor mit bestimmten Konservierungsstoffen haltbar gemacht werden. Einzige Bedingung: In unmittelbarer Nähe der Angabe Naturkosmetik muss sich – deutlich erkennbar – der Hinweis „konserviert mit“ befinden. Darüber hinaus sind auch bestimmte Emulgatoren, die man braucht, um Wasser und Öl zu einer festen Creme zu verbinden, immer noch erlaubt. Allerdings müssen sie naturidentisch in einem schonenden Verfahren hergestellt werden. Und das bedeutet nichts anderes, als natürliche Emulgatoren im Labor chemisch nachzubauen. Zu guter Letzt einigten sich die Naturprodukt-Hersteller schließlich noch darauf, sämtliche verwendeten Inhaltsstoffe auf der Verpackung genau anzugeben. So weit, so gut.

Sollte man meinen. Aber trotz aller Absprachen, es gibt noch immer Unterschiede. So kommen zum Beispiel bei den engagierten Verfechtern der Naturkosmetik nur nachwachsende Rohstoffe aus möglichst kontrolliertem biologischen Anbau als Ingredienzen für ihre Kosmetika in Frage. Den konventionellen Anbietern hingegen reichen schon die naturidentischen Stoffe, die aus dem Labor stammen.

Oft genug fängt aber genau damit der Ärger für den Kunden an. Denn nicht immer ist klar, zu welchem Lager der jeweilige Hersteller zählt.

Oder aber Hersteller verzichten einfach ganz auf die Bezeichnung Naturkosmetik und umgehen somit die Mindestanforderungen für ihr angebliches Naturprodukt. Um aber trotzdem weiter auf der Ökowelle mitzureiten, verwenden sie dann oft Namen wie Ecological oder Biological. Wer in solchen Fällen hofft, mit dem Blick auf die Verpackung Klarheit über die verwendeten Inhaltsstoffe zu erhalten, wird oft bitter enttäuscht. Entweder die Kosmetikahersteller geben die von ihnen verwendeten Inhaltsstoffe gar nicht an. Und wenn doch, so rügte die Stiftung Warentest schon 1997, dann in unverständlichem Chemikerlatein, das der Kunde in der Regel nicht versteht.

Wer also Naturkosmetik kaufen will, der muss sich gut informieren und sollte sich nicht vom vermeintlichen Öko-Image einer Marke einwickeln lassen. Bestes Beispiel hierfür ist der Body Shop mit seinen weltweit 1.600 Läden, der gerade hierzulande oft wegen seines Öko-Images Kunden lockt. Denn obwohl die Firma gegen Tierversuche ist, für die Rettung des Regenwaldes kämpft und zusammen mit dem deutschen Bund für Umwelt und Natur eine Anti-Abfall-Kampagne durchführt, sagt das noch wenig über die verwendeten Inhaltsstoffe der Body-Shop-Kosmetika aus. Die, so bestätigt selbst Body-Shop-Pressesprecherin Elisabeth Weyermann, größtenteils nicht aus ökologischem Anbau stammen. „Trotzdem“, sagt sie weiter, „sind wir ein Unternehmen, das in den letzten Jahren zahlreiche Umweltpreise erhalten hat und das ist schließlich auch was.“

Wer es etwas genauer wissen will, der ist bei der Firma Weleda aus Schwäbisch Gmünd gut bedient. Das bestätigte auch die Stiftung Warentest in ihrem großen Naturprodukttest von vor zwei Jahren. „Bei Weleda“, so die hauseigene PR-Assistentin Isabell von Heymann, „stammen 90 % der Inhaltsstoffe entweder aus biodynamischen oder aber aus kontrolliert-biologischem Anbau.“ Und nicht nur das, sämtliche Inhaltsstoffe werden unter Quarantäne auf das Vorhandensein von Pestiziden, Mikroben oder Pilzen getestet. Erst wenn das Analyselabor sein O.K. gibt, werden die Stoffe verarbeitet. „Bei uns sind sämtliche Produkte 100-prozentig chemiefrei“, verspricht von Heymann. Einzige Ausnahmen: die Sonnenschutzcreme, mit ihrer synthetisch hergestellten Fitersubstanz, und das Rosmarin- sowie das Kastanienshampoo, beide enthalten Tenside.

Äußerst sorgsam wählt auch die Berliner Firma „I&M Natürliche Hautpflege“ ihre Zutaten aus. „Unsere Firmenphilosophie“, so die Chefin Inge Stamm, „verbietet den Zusatz von tierischen und chemischen Produkten.“ Kräuter werden entweder aus kontrolliert biologischem Anbau oder aus Wildwuchs zugekauft. Als waschaktive Substanz dient in allen Shampoos und Duschbädern das so genannte Zuckertensid, ein Rohstoff, in dem unter anderem Kartoffelstärke enthalten ist. Zuckertensid reinigt sehr mild und ist auch für empfindliche Haut geeignet. Zudem wird es umweltschonend abgebaut (Wassergefährdungsklasse 1).

Lässt sich immer noch fragen, ob die Natur aus der Tube auch kosmetische Wirkung zeigt? Weniger, sagt die Stiftung Warentest. Von 16 getesteten Naturkosmetikprodukten schnitten 5 mit „zufriedenstellend“ und eins sogar mit „mangelhaft“ in Sachen kosmetischer Beurteilung ab. Vielen Naturcreme-Herstellern, so bemängelten die Stifter, seien die verwendeten Inhaltsstoffe wichtiger als ihre Wirkung. Für die Verbraucher bedeutet das also auch hier: kritisch bleiben und nicht alles glauben, was der Hersteller verspricht.