Ökolumne
: Auf Schmusekurs

■ Wie Agrarinstitute mit der Gen-Tech-Industrie Händchen halten

Die Weltbank macht sich für grüne Gentechnologie stark. Während weltweit der Widerstand gegen genmanipulierte Lebensmittel wächst, hat sich die Beratergruppe für Internationale Landwirtschaftsforschung bei der Weltbank, die CGIAR, für eine verstärkte Verwendung der Gentechnologie bei der Nahrungsmittelproduktion ausgesprochen. „Wir müssen abwägen“, heißt es neuerdings. Entweder genmanipuliertes Saatgut und damit einhergehend eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion, oder – und hier kommen dann gleich die ultimativen Katastrophenvisionen, die keine Alternativen mehr erlauben – immer mehr Menschen werden hungern. 8 Milliarden Menschen werden im Jahr 2020 auf dieser Erde leben wollen, das sind 2 Milliarden mehr als am Anfang des neuen Jahrtausends. Die landwirtschaftliche Produktion müsse deshalb, so die Rechnung der CGIAR in ihrer Ende Oktober vorgelegten Studie „Food in the 21st Century: from Science to sustainable Agriculture“, um mindestens die Hälfte gesteigert werden. Sollte der aktuelle Trend in Richtung mehr Fleischkonsum anhalten, müsse der Anstieg sogar doppelt so groß sein.

Verschärft werde die Situation dadurch, dass die Wachstumsrate bei der Nahrungsmittelproduktion immer kleiner werde. Die Gründe: ausgelaugte und abgeschwemmte Böden, anderweitige Verwendung der landwirtschaftlichen Anbaufläche oder Wassermangel. Für die CGIAR gibt es nur einen Ausweg aus dem Dilemma: Ohne eine stärkere Verwendung der Gentechnologie lässt sich bei wachsender Bevölkerung die Ernährung nicht sichern. Allein mit einer gerechteren Verteilung des Reichtums und mit konventionellen Mitteln, so heißt es in der Studie, lasse sich das Hungerproblem nicht lösen.

Die CGIAR ist nicht nur ein Beratergremium der Weltbank. Sie koordiniert den weltweit größten Forschungsverbund im Agrarbereich. Mitglieder sind die 16 internationalen Agrarforschungsinstitute, die in den 60er- und 70er-Jahren entscheidend bei der Einführung der Hochertragssorten, mit der die grüne Revolution überhaupt erst möglich wurde, mitgewirkt haben. Darunter fallen beispielsweise das Reisforschungsinstitut (IRRI) auf den Philippinen, das Kartoffelforschungsinstitut (CIP) in Peru und das CIMMYT in Mexiko, das mit Mais und anderem Getreide forscht. Formal sind die Forschungseinrichtungen unabhängig, in der Praxis jedoch haben die Geldgeber erheblichen Einfluss auf die Ausrichtung der Institute.

Waren am Anfang noch die Rockefeller und die Ford Foundation die wichtigsten Geldgeber der CGIAR, so ist ihr Anteil am Budget mittlerweile auf rund 2 vom Hundert abgesunken. Heute fließen die Gelder vor allem aus staatlichen Quellen: Gut die Hälfte des Jahreshaushalts von rund 340 Millionen Dollar (1998) kommt aus Europa, ein knappes Siebtel von der Weltbank, ein Achtel aus den USA und 10 vom Hundert aus Japan. Die deutsche Regierung hat erst neulich angekündigt, dass sie bis 2003 die internationale Agrarforschung statt wie bisher mit 35 Millionen Mark nur mit 17,5 Millionen fördern wird.

David gegen Goliath, das ist das Bild, das die CGIAR selbst gerne malt. Goliath sind die multinationalen Saatgutunternehmen, die mit ihrem patentierten Saatgut die Bauern in der Dritten Welt in ihre Abhängigkeit bringen Und der David CGIAR hat den Kampf dagegen aufgenommen. Die neue Strategie: Selbst möglichst viele Patente anmelden und verhindern, dass auf dem Saatgutmarkt ausschließlich teure, patentierte Gen-Tech-Sorten der Privatwirtschaft auftauchen. Die CGIAR-Patente sollen frei verfügbar sein und dem Allgemeinwohl dienen.

Ein Trugbild, denn hinter der Kulisse ist der Schmusekurs angesagt: Die Steinschleuder beiseite gelegt, halten David und Goliath Händchen. Die 340 Millionen Dollar des CGIAR stehen 7 Milliarden Dollar gegenüber, denn so viel investiert allein die Privatindustrie in den OECD-Staaten jährlich in die Agrarforschung. Angesichts dieser Beträge ist klar: Die CGIAR-Strategie kann gar nicht aufgehen. Dafür helfen die Agrarforschungsinstitute, die eine große Sympathie in ihren Heimatstaaten genießen, nicht nur beim Export der Risikotechnologie in die Dritte Welt. Warum, so muss sich die CGIAR fragen lassen, hat sich die Beratergruppe nicht mit dafür stark gemacht, dass Bäume, Blumen und Tierarten erst gar nicht patentiert werden dürfen? Das wäre doch weitaus wirkungsvoller.

Wolfgang Löhr

Verschärft werde die Situation der Welternährung dadurch, dass die Wachstumsrate bei der Nahrungsmittelproduktion schon seit Jahren immer kleiner werde, sagen die Gentech-Firmen. Die Gründe sind eindeutig: ausgelaugte und abgeschwemmte Böden, anderweitige Verwendung der landwirtschaftlichen Anbaufläche oder auch der Wassermangel.“