Letzte Ausfahrt Emssperrwerk

■ Am Ende einer langen juristischen Kette wird das Emssperrwerk bei Gandersum/Ostfriesland gebaut / Im Rückblick: Ein Schelmenstück

Ginge es nach dem Ehrenbürgermeister von Papenburg, Heinrich Hövelmann (CDU), könnte die Ems asphaltiert werden: „Die Ems ist eine Bundeswasserstraße. Da hat der Verkehr Vorrang vor dem Naturschutz.“ Nach dem vorerst letzten Gerichtsgefecht zwischen den Umweltschützern und dem Rest der Welt zweifelt niemand mehr am endgültigen Bau einer Stausperre in der Ems.

Am Anfang stand 1996 das Wort von Ex-Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD). Er versicherte – entgegen aller Planungen in den eigenen Behörden – ein Sperrwerk solle der Papenburger Meyer-Werft die Überführung großer Kreuzfahrtschiffe von Papenburg an die 40 Kilometer entfernte Nordsee garantieren. Die Ems ist zu klein für die riesigen Pötte. Deswegen war bislang der Fluss mehrere Male tiefergelegt worden. Mit der Stausperre sollte der Fluss jetzt aufgestaut werden, um die nötige Tiefe für die Schiffsüberführungen zu erreichen.

Vor der letzten Ems-Vertiefung schlossen Landesregierung und Meyer-Werft auf der einen sowie Naturschutzverbände auf der anderen Seite einen Pakt: Keine Vertiefung mehr. Dafür verzichteten die Naturschützer auf Klagen gegen die anstehende Vertiefung auf 7,20 Meter. Das Land konnte also auf diese Tiefe noch baggern. Dafür stellte das Land mehrere Millionen Mark für Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung. Bis heute hat die Landesregierung die versprochenen Naturschutzmaßnahmen nicht abschließend durchgeführt. Meyer kaufte privaten Klägern, einigen Emsfischern, deren Klage einfach ab. Im Vorfeld dieser „Regelungen“ ließen die Naturschutzverbände gutachterlich nach Alternativen zu den Emsvertiefungen suchen, um die Arbeitsplätze der Meyer-Werft zu sichern und trotzdem einen Kollaps der Ems zu verhindern. Unter anderem wurde in diesem Zusammenhang ein Ems-Sperrwerk analysiert und im Gutachten als untauglich befunden.

Nach dem Schröder-Wort: „Ein Emssperrwerk muss her“, brach dann Hektik aus. Denn die Behörden waren auf die Planung eines Sperrwerkes nicht vorbereitet. ARD-Panorama und die taz veröffentlichten Kriterien, die bis heute den Bau als zumindest fragliches Unternehmen erscheinen lassen: Keine ausreichende Berücksichtigung des Naturschutzes. Keine sorgsame Prüfung von Alternativen. Kein nachvollziehbares Finanzkonzept.

Im „Generalplan Küste“ – dem Konzept für Deichsicherung in Niedersachsen – wurde ein Sperrwerk abgelehnt. In diesem Konzept waren sinnvolle Standorte für ein solches Projekt kalkuliert worden. Alle waren zu teuer. Gandersum taucht nicht als sinnvoller Standort auf.

Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung – allen voran die Belegschaft der Papenburger Meyer-Werft – waren für ein Sperrwerk. Die geschlossene Phalanx aller maßgeblichen Politiker von CDU, SPD und FDP wollten die Emssperre. Im Schulterschluss mit Landes- und Bundesregierung ist dieses Team eigentlich unschlagbar. Wenn Ostfriesen alle Schimpfworte ausgehen, dann holen sie den ganz großen Hammer: Frem– Schiet. Frem– Schiet – also Auswärtige – waren und sind die Mehrheit der Sperrwerksgegner.

Trotzdem gelang es dieser Minderheit, den Bau für ein Jahr zu stoppen. Denn im Bewusstsein, dass das Sperrwerk politisch gewollt ist, machten die Planer Fehler. Der erste juristische Trick der Landesregierung war, ein Raumordnungsverfahren (ROV) für den Bau zu verhindern. Die ROV forderte die Prüfung von Alternativen. Die gab es in den Planungen des Landes Niedersachsen aber nicht. Mehr noch: Ein Sperrwerk wurde als Möglichkeit des Küstenschutzes ausdrücklich verworfen.

In einem Protokoll aus einer geheimen Verwaltungsratssitzung der Stadt Emden von 1997 (das Dokument liegt der taz vor) redet der Emder Oberstadtdirektor Klartext: „ ... man muss auch Verständnis dafür haben, dass sie (die Landesregierung) jetzt versucht, dieses wirtschaftspolitische Problem (den Bau des Sperrwerkes für die Meyer-Werft) schnell zu lösen.“ Der Mann muss prophetische Gaben haben. Denn zu diesem Zeitpunkt begründeten die Sperrwerksplaner den Bau nicht damit, dass er „privatwirtschaftliche Probleme“ lösen sollte. Die Planer beantragten den sofortigen Bau der Sperre aus Küstenschutzgründen.

Die zuständigen Deichbehörden hatten beim Bekanntwerden der Planung ein Memorandum verfasst. Die Deichacht Moormerland listete penibel auf, welche Probleme ein Sperrwerk gerade für die Deiche bringen würde. Die Deichfüße könnten im Staufall aufgeweicht werden, argumentierten sie. Kurze Zeit später folgte ein neues, nachgebessertes Memorandum. Da war plötzlich kein Deichfuß mehr nass.

Das ausgelobte Planfeststellungsverfahren für den Sperrwerk-Bau war auf wenige Tage angelegt. Es dauerte mehrere Monate. „Wir haben den Fehler gemacht, konstruktiv mitzuarbeiten“, sagt ein Anwalt der Naturschutzverbände. Tatsächlich versuchte die Behörde behende, alle Einwendungen in die Planungen einzuarbeiten. Das Problem: Die Umweltschützer kamen zu dem Schluss, ein Sperrwerk darf nicht gebaut werden. Die Planer mussten aber bauen. Ergebnis: Das Oberverwaltungsgericht verhängte einen fast einjährigen Baustopp wegen unzulänglicher Planung.

Um aber künftig keine Probleme mit Klägern zu bekommen, sprach das Verwaltungsgericht in Oldenburg den Naturschützern das Recht ab, gegen andere als naturschützerische Belange zu klagen. „Die Verbände haben gar nicht das Recht, vor Gericht für den Naturschutz einzutreten. Sie dürfen nur formelle Planungen, die den Naturschutz betreffen, beurteilen“, ärgert sich Uwe Sager, BUND-Mitglied, Gandersumer und Privatkläger. Zwar steht das Hauptverfahren gegen das Emssperrwerk noch aus. Aber wie sagte doch Heinrich Hövelmann, Ehrenbürgermeister von Papenburg: „Jetzt schaffen wir Fakten. Jetzt knallen wir soviel Beton und Stahl in die Ems, wie es nur geht.“

Thomas Schumacher