Wir wollen radikaler werden

■  Vor der Fraktionsklausur der Grünen rät das Gründungsmitglied Bernd Köppl in einem umstrittenen Papier zu „radikaleren Tönen“ und einer härteren Oppositionspolitik

Mit „radikaleren Tönen“ und einer „stärkeren Emotionalisierung“ ihrer Themen sollen sich die Grünen nach Ansicht des Abgeordneten Bernd Köppl künftig als führende Oppositionskraft profilieren. „Als Berliner Grüne müssen wir uns davon verabschieden, dass wir eine Regierungspartei im Wartestand sind“, fordert Köppl. Dieser Kurs sei richtig gewesen, solange eine echte Chance auf einen rot-grünen Wechsel bestanden habe. Jetzt müssten die Grünen jedoch einen „Imagewechsel“ vornehmen, heißt es in seinem Diskussionspapier, das bei der Fraktionsklausur an diesem Donnerstag erörtert wird. Köppls Vorschläge sind in der nach Orientierung suchenden 9,9-Prozent-Partei allerdings umstritten. Weitere Papiere sind noch in Arbeit.

„Die Wähler, die uns gewählt haben, verlangen eine harte und konsequente Oppositionspolitik“, plädiert Köppl für einen anderen Politikstil. Die Grünen müssten ihre Forderungen künftig stärker emotionalisieren. Es genüge nicht, Konzepte für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorzulegen. Die Grünen müssten die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der Stadt stärker als Skandal thematisieren. Von einer solchen „Emotionalisierung“ der Politik erhofft sich Köppl, die zunehmend enttäuschte grüne Wählerschaft wieder stärker an die Partei zu binden. „Wir müssen die Ideen und Hoffnungen der Leute wieder aufnehmen.“ Die Grünen müssten der PDS ihre Rolle als Hoffnungsträger streitig machen. Daher solle künftig erst an zweiter Stelle die Frage stehen, ob die grünen Vorschläge auch finanzierbar seien.

Diese Wandlung des Oberrealo Köppl stößt selbst bei Abgeordneten des linken Parteiflügels auf Widerspruch. „Wir haben bei der Wahl nicht deshalb verloren, weil wir solide Konzepte vorgelegt haben“, sagte Sybill Klotz. „Die Lösung liegt nicht im Populismus.“ Bei einem Finanzloch von drei Milliarden im Haushalt 2000 könnten die Grünen nicht so tun, als gäbe es keine finanzpolitischen Zwänge. „Davor warne ich.“ Der PDS mit ihren populistischen Forderungen nachzueifern sei der falsche Weg. Von einer Rückkehr zum Revoluzzertum der grünen Gründungszeiten hält Klotz ebenfalls nichts. Auch der grüne Finanzexperte Burkhard Müller-Schoenau, meinte: „Wir dürfen keine leeren Versprechungen machen, die uns auf die Füße fallen, wenn wir an die Regierung kommen.“

Der Abgeordnete Michael Cramer hält Köppls Papier in dieser Form nicht für mehrheitsfähig. „Es geht nicht um die Radikalität des Wortes, sondern um die Radikalität der Tat.“ Hauptproblem der Grünen sei derzeit, dass sie in der rot-grünen Bundesregierung zu wenig umsetzen könnten.

Können sich die Berliner Grünen überhaupt glaubwürdig als radikale Oppositionspartei profilieren, wenn sie auf Bundesebene in der Regierung sind? Selbst Köppl räumt ein: „Ich bin mir nicht sicher ob es funktioniert, aber man muss es ausprobieren.“

Sein Fraktionskollege Cramer plädiert hingegen dafür, wie bisher stadtpolitische Gegenentwürfe zur Großen Koalition zu präsentieren und die negativen Folgen der CDU/SPD-Politik aufzudecken: „Wenn die Große Koalition auf den Bau der drei Olympiahallen verzichtet hätte, hätte man die dafür ausgegebenen 800 Millionen Mark für die dringend nötige Sanierung der Schulen verwenden können.“ Dorothee Winden