Handy-Kanzler: Mobil für Deutschland

■  Europa, ade: Die geplante feindliche Übernahme von Mannesmann durch die britisch-amerikanische Vodafone mobilisiert die nationalen Interessen. Schröder will den Verkauf mit Hilfe der EU verhindern

Berlin (taz) – Das deutsch-britische Verhältnis droht durch zu viel Telefonieren per Mobilfunk Schaden zu nehmen. Die geplante feindliche Übernahme des Düsseldorfer Mischkonzerns Mannesmann (D2-Telefonnetz) durch die britisch-amerikanische Vodafone wollen deutsche Politiker nicht kampflos zulassen. Bundeskanzler Gerhard Schröder („Feindliche Übernahmen zerstören die Unternehmenskultur“) will offenbar erreichen, dass die Europäische Union am 7. Dezember eine neue Übernahmerichtlinie beschließt. Danach könnten Minderheitenaktionäre bei Übernahmen für ihre Aktien künftig Bargeld verlangen, berichtet Focus. Vodafone will die Mannesmann-Aktionäre dagegen mit eigenen Aktien ködern. Bares werde es nicht geben, bekräftigte Vodafone-Chef Chris Gent gestern.

Auch nach einem Treffen mit Vodafone-Chef Gent blieb Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) bei seiner ablehnenden Haltung: Eine feindliche Übernahme des Mannesmann-Konzerns sei kein geeigneter Weg zur Stärkung des Telekommunikationsstandorts Europa. Das Düsseldorfer Unternehmen dürfe „nicht zur Filiale eines Londoner Konzerns werden“, sagte er. Von FDP-Chef Gerhardt bis zum CDU-Spitzenkandidaten für die NRW-Wahl, Jürgen Rüttgers, fanden sich deutsche Politiker, um die Mannesmann-Übernahme zu geißeln.

Großbritanniens Premier Tony Blair kritisierte Schröder am Samstagabend beim gemeinsamen Diner in Florenz. Er bat den deutschen Regierungschef um Mäßigung in der Handy-Angelegenheit, berichtete der Londoner Independent. Blair ließ diese Meldung gestern vehement dementieren.

Die Meinung der Medien auf der Insel ist eindeutig: „Gerhard, halt dich da raus“, titelte der konservative Sunday Telegraph. Die Deutschen redeten zwar viel von der europäischen Einigung, aber wenn es hart auf hart komme, verfolgten sie doch nur ihre nationalen Interessen, meinte der Daily Telegraph. „Eine erfrischende Veränderung“ diagonstizierte der linke Observer und erinnert daran, dass sich zuletzt deutsche Konzerne in britische Traditionsfirmen wie Rover (BMW) oder Rolls Royce (VW) eingekauft hatten. Die deutsche Bild-Zeitung hielt am Samstag dagegen: „0172 bleibt deutsch“.

Auch zwischen Vodafone und Mannesmann wird der Ton härter. Gent warf Mannesmann-Chef Klaus Esser vor, bei den Übernahmeverhandlungen nicht zugehört zu haben: „Es ging ihm nur darum, unabhängig zu bleiben.“ Esser wiederum erklärte, Mannesmann habe Vodafone angeboten, bei den neuen Handy-Online-Diensten zusammenzuarbeiten. Doch dazu habe sich der britisch-amerikanische Konzern nicht geäußert. Nationalistische Töne lehnte Esser ab: „Das nationale Pathos können wir im Moment wirklich nicht brauchen. Das passt nicht in unsere Zeit, das passt vor allem nicht zu der Strategie von Mannesmann.“ Auch der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, empfahl Besonnenheit: „Es wäre einfach nüchterner, wenn wir über wirtschaftliche Interessen sprächen. Die Aktionäre von Mannesmann sind zu 60 Prozent Nichtdeutsche.“

Gent nannte das Angebot seines Unternehmens einen „sehr überzeugenden Vorschlag“. Die Erfolgschancen sehe er bei 55 bis 60 Prozent. „Wenn der Mannesmann-Vorstand nicht noch seine Meinung ändert, dann wird er hart um seine Unabhängigkeit kämpfen“, sagte er. Vodafone bietet den Mannesmann-Eigentümern in der größten Übernahmeschlacht der Geschichte 242 Milliarden Mark. klh

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