„Auf bittere Art und Weise“

Gewerkschaften machen gegen Tarifflucht in Hamburgs Supermärkten mobil und wollen die Tarifbindung wieder herstellen  ■ Von Magda Schneider

Die Gewerkschaften Handel Banken und Versicherungen (HBV) und Deutsche Angestelltengewerkschaft machen gegen Lohndumping und Tarifflucht der Lebensmittel-Einzelhändler mobil. Mit Aktionen, Betriebsversammlungen und -begehungen – gestern als erstes bei Toom in Winterhude – versuchen sie, die Lebensmittelkonzerne wieder in den Hamburger Verband zu drängen. Sonst stehen Gewerkschaften und Einzelhandelsketten im kommenden Jahr schwierige und langwierige Auseinandersetzungen um Haustarifverträge bevor.

Die Hamburger Supermarkt-Ketten Toom, Penny, MiniMal, Aldi, Spar, Pro und Edeka wollen ihre Niederlage in der diesjährigen Tarifrunde einfach nicht akzeptieren. Mitte des Jahres scheiterten die Unternehmen im Landesverband des Hamburger Einzelhandels mit ihrer Forderung, durch Abgruppierungen von 500 bis 1000 Mark pro Monat den Lohn für qualifizierte VerkäuferInnen und KassierInnen zu senken. Die Streiks der Gewerkschaften waren so massiv, dass der Mehrheit der Arbeitgeber – darunter die großen Kaufhausketten – der Betriebsfrieden wichtiger war als eine Hauruck-Lohnkürzung.

Allerdings sind die Lebensmittelketten zwischenzeitlich aus dem Einzelhandelsverband ausgetreten, um ihr Lohndumping in der nächsten Tarifrunde nun allein durchzusetzen. Für die Gewerkschaften eine brisante Situation, deshalb wollen sie dieser Politik bereits jetzt Paroli bieten. Mit Aktionen und Betriebsversammlungen werben sie für den Eintritt in die Gewerkschaft.

Aus gutem und nicht nur eigennützigem Grund: Denn wenn der Gehaltstarifvertrag Ende April 2000 ausläuft, haben dessen Regelungen nur noch für Gewerkschafter eine sogenannte „Nachlauffrist“. Für sie verliert der gültige Tarifvertrag erst dann seine Wirkung, wenn ein neuer Kontrakt abgeschlossen wird. Doch dieses könnte nur in Form von Haustarifen für die jeweilige Kette passieren und lange dauern. HBV-Sprecher Jörg Reinbrecht: „Die Beschäftigten begreifen langsam – wenn auch auf bittere Art und Weise – wie wichtig die Gewerkschaften und ein Tarifvertrag sind.“

Sollte es HBV und DAG nicht gelingen, die Lebensmittelketten wieder in den Verband und damit in die Tarifbindung zu zwingen, droht HBV-Chef Hinrich Feddersen schon jetzt mit Arbeitskampfmaßnahmen: „Einige Arbeitgeber scheinen nicht zu begreifen, dass gleiche Gehaltsbedingungen für alle Arbeitnehmer einer Branche auch ein Vorteil für die Unternehmen ist“, mahnt Feddersen. „Ein Lohndumpingwettbewerb und der damit verbundene Qualitäts- und Serviceverlust führt den Lebensmittelhandel jedenfalls nicht aus der Krise.“