Ich kann doch nichts dran ändern“

■ Die Ärzte in der Hauptstadt haben ihr Arzneimittelbudget überzogen. Angst um ihre Medikamente aber haben die PatientInnen offenbar kaum

Celine hält sich ihren Bauch. Die 16-Jährige hat Bauchweh, sagt sie. Ihr gehe es um eine „Schulentschuldigung“, sagt sie auch, deshalb ist sie hier bei einem Allgemeinmediziner in einem tristen Sechzigerjahre-Neubaublock mitten in Kreuzberg. Celines Freund Simon, der mitgekommen ist, hält ihr die Hand – und beide wissen nicht, dass das ein besonderer Tag für Celine und alle anderen Berliner Patienten ist: Das Arzneimittelbudget der Ärzte in der Hauptstadt ist überschritten.

Jetzt müssen die Ärzte auf eigene Kosten Medikamente für ihre Kranken verschreiben – „eine ziemliche Verarschung“, meint die schlanke, junge Frau, „aber wie soll man sich dagegen wehren?“

In dasselbe Horn bläst auch Klaus Tillack. Der arbeitslose Dreher begleitet seine Tochter Ingvielt, die blass wirkt und unter Brechdurchfall leidet. Dass nun die Ärzte drohen, die Versorgung ihrer Patienten könnte leiden, regt ihn nur mäßig auf. Resigniert meint Tillack: „Ich selber kann eh nichts groß dann ändern.“ Man sollte eben für andere Sachen weniger Geld ausgeben, überlegt er, etwa „fürs Militärische“. Dass seine Tochter jetzt vielleicht statt der teueren Markenarzneien die billigeren, aber gleich wirksamen Generika-Medikamente bekommt, findet er in Ordnung: „Aber nur, wenn die auch die gleiche Qualität haben.“ Es stelle sich jedoch die Frage, wer bei den Pharmafirmen dann auf Dauer noch genug Geld für Forschung habe, wenn die Nachahmer-Mittel nun zuerst verschrieben würden.

„So weit ist das schon?“ Hannelore Ewald zeigt sich überrascht über die Drohung der Ärzte. Mit ihrer zucker- und herzkranken Mutter Elisabeth (84) sitzt sie im Wartezimmer und verweist darauf, dass die Ärzte ganz gut verdienten: „Wenigstens schlecht geht es denen nicht.“ Schon ein Jahr müsse ihre Mutter pro Monat etwa 30 Mark für ihre Arznei bezahlen. Verstehen kann sie nicht, warum die Markenmedikamente teurer sein sollen, wenn man sie offenbar auch billiger produzieren kann. Wenn Generika wirklich die gleiche Wirkung hätten, sei es ihr egal, welches Präparat es sei.

Das meint auch Corinna Klaus, die auf eine Hepatitis-B-Impfung wartet: „Warum soll man so viel Geld ausgeben, wenn man es auch billiger haben kann.“ Ihr Vater arbeitet bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – aber gesprochen über diese Sache habe sie mit ihm nicht, räumt sie ein: „Wenn ich ein Mittel nehme, erklärt er mir, welche Wirkstoffe da drin sind – aber das merke ich mir nicht: Der redet dann eher mit sich selbst.“ Philipp Gessler