Alle Betonmischer stehen still

■ Auf elf Holzmann-Baustellen geht nichts mehr. 600 Jobs sind gefährdet

Ein paar Schneeflocken tanzen im Novemberwind, vereinzelt flattern Laubblätter durch die Luft; es ist idyllisch still – auf der Baustelle Melchiorstraße in Mitte. Hier baut der vor der Pleite stehende Konzern Philipp Holzmann Lofts und Eigentumswohnungen. Gestern Nachmittag stehen alle Mischer still, die Arbeiter hocken untätig in den Containern. Zwei Arbeiter versuchen, den Chef anzurufen, aber das Telefon ist schon abgeklemmt. „Ihr könnt höchstens die Feuerwehr anklingeln“, sagt ein junger Maurer. Beim Grinsen glänzt sein Zungenpiercing im Neonlicht. Die Bude lacht.

„Wir verstehen die die Welt nicht mehr“, sagt ein Mittvierziger, der seinen Namen nicht nennen will. Kurz vor Weihnachten komme die Bescherung, meint der Mann in der hellen Jacke. Auch Annemarie Henschel ist stinksauer. „Ich hätte nie gedacht, dass man ein so renommiertes Unternhemen den Bach runtergehen lässt“, sagt die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Baudirektion Ost. 1.200 Jobs seien nun in ihrem Bereich akut bedroht, rund 600 in Berlin. Schuld sei eindeutig das Missmanagement der Konzernspitze. Ärgerlich sei, dass die Berliner Beschäftgten bereits auf sechs Prozent Lohn verzichtet hätten, um dem größten deutschen Baukonzern schwarze Zahlen zu sichern. „Das ist nun der Dank“, schimpft Henschel.

Stefan Kaden, technischer Direktor der Direktion Ost, versucht die Gemüter zu beruhigen. Alle Baustellen, bei denen Holzmann mit anderen Firmen in Arbeitsgemeinschaften zusammenarbeite, würden weitergeführt. Lediglich auf den elf Eigenbaustellen in Berlin müsse die Arbeit vorübergehend eigestellt werden – bis der Insolvenzverwalter entscheidet, welches Projekt beendet wird.

Auch der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg mahnt zur Besonnenheit. Das neue Insolvenzrecht ziele darauf ab, Pleiteunternehmen eher fortzuführen als zu zerschlagen, meint Verbandssprecher Thomas Hüne. Bei den Arbeitsplatzverlusten müsse man die Relation sehen. Jährlich gingen im Bausektor 10.000 Jobs verloren. „Nur Holzmann ist jetzt groß in den Medien“, so Hüne.

Die Leute in der Melchiorstraße würden gern darauf verzichten. Der Polier kommt zur Tür rein, tritt sich den Schneematsch von den Sohlen. „Betriebsfremde haben hier nichts zu suchen“, sagt er barsch. Dann weist er auf ein Schild am Bauzaun: „Betreten der Baustelle verboten“. Für ihn gilt das noch nicht. Richard Rother